Datenlöschungen im Kanzleramt würde Auskunftspflicht-Verfahren von Transparenz-NGO betreffen
Forum Informationsfreiheit fordert sofortigen Stopp der geplanten Datenlöschung – NGO beantragte schon am 5. Oktober die Übermittlung von Kalendereinträgen aus 2020 – Keine Notwendigkeit für Löschung, sondern demokratiepolitische Notwendigkeit der Aufbewahrung.
Das Forum Informationsfreiheit (FOI) zeigt sich entsetzt, dass nach seiner Forderung nach Löschverboten für Informationen über Amtsgeschäfte und einem Dokumentationsgesetz offenbar große Löschaktionen im Bundeskanzleramt (weiter) geplant wurden. Laut einem Bericht des STANDARD sollten E-Mails und Kalendereinträge, die älter als ein Jahr sind, am 10. November automatisch gelöscht werden.
Die Transparenz-NGO hält eine Löschung von Kommunikationsdaten und Kalendereinträgen für demokratiepolitisch höchst problematisch, da die Nachvollziehbarkeit der Entscheidungsprozesse im ersten Halbjahr der Pandemie und zu zahlreichen weiteren politischen Themen dadurch erschwert, auch die Klärung der politischen Verantwortung nahezu verunmöglicht würde.
Deswegen hatte das Forum Informationsfreiheit schon am 5. Oktober jene Kalendereinträge auf Basis des Auskunftspflichtgesetz angefragt, die seit der Regierungsbildung im Jahr 2020 von hohen Mitarbeitern – auch Kabinettsmitarbeitern – angefertigt wurden. Diese Informationen sind nach Ansicht des FOI aktuell Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Verfahrens – und damit Beweismittel.
„Es ist uns kein Rechtsmittel ersichtlich, mit dem wir eine angedachte Löschung bis zur Entscheidung über diese Anfrage effektiv verhindern können.“, so Anfragesteller und Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit Markus Hametner. „Sollte die Löschung doch noch vorgenommen werden, würde das laufende Auskunftsverfahren wohl ins Leere laufen.“ Damit entstünde beim Forum Informationsfreiheit der begründete Verdacht etwaiger Beweismittelunterdrückung betreffend ein Verwaltungsverfahren gemäß § 295 StGB durch MitarbeiterInnen des Bundeskanzleramts.
„Wir sehen die Notwendigkeit nicht, Informationen über die Zusammenarbeit in der Verwaltung zu löschen – im Gegenteil: es gibt eine demokratiepolitische Notwendigkeit, die Informationen zu sichern. Die Regierung muss eine volle Aufklärung von Vorwürfen ermöglichen und Transparenz sicherstellen, um das schwer beschädigte Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik wieder zu reparieren. Eine Datenlöschung wäre ein völlig gegenteiliges Signal an die Öffentlichkeit, nämlich dass Aufklärung verhindert werden soll und die Notwendigkeit für mehr Nachvollziehbarkeit und Offenheit von der Regierung nicht erkannt wird“, sagt FOI Vorsitzender Mathias Huter.
In Irland ist die Löschung von Informationen nach Erhalt einer sie betreffenden Anfrage explizit strafbar. Außen- und Verteidigungsminister Simon Coveney behauptet aktuell, Nachrichten gelöscht zu haben, bevor sie angefragt wurden. Andere Länder haben noch strengere Regeln, nach denen Löschungen nur dann straffrei bleiben, wenn sie im Einzelfall durch eine unabhängige Archivbehörde genehmigt wurden. Das fordert das Forum Informationsfreiheit auch für Österreich.
Anfragen nach Kalendereinträgen des irischen Ministers wurden übrigens vollständig beantwortet, in zahlreichen anderen Demokratien sind die Kalender politischer Entscheidungsträger ohnehin frei online zugänglich.
Erst am Dienstag hatte das Forum Informationsfreiheit ein Dokumentationsgesetz und ein Löschverbot für berufliche Kommunikation von AmtsträgerInnen gefordert. Ein entsprechender Entschließungsantrag wurde von der SPÖ im Nationalrat eingebracht.