Vordernberg – Ein Lehrstück
Vor etwa 3 Monaten wurde die Gemeinde Vordernberg über unsere Website www.fragdenstaat.at ersucht, die Ausschreibungsunterlagen für den Betrieb des Abschiebezentrums zu übermitteln. Die Anfrage hat Alexander Wacker, eines unserer Mitglieder im Forum Informationsfreiheit, gestellt und er hat die Dokumente vom Bürgermeister der Gemeinde erhalten.
Seither hat sich vieles getan und der Fall hat sich zu einem Lehrstück entwickelt, das zeigt, wie wichtig der Zugang zu Informationen ist, um etwaige Missstände in der Verwaltung überhaupt erst einmal recherchieren oder thematisieren zu können. Egal, ob es um die Frage des „Freiheitsentzugs“ generell geht, oder die Frage, was genau „hoheitliche Aufgaben“ sein sollten, und ob solche überhaupt jemals ausgelagert werden sollten – hier kann kaum jemand an der Bedeutung echter Informationsfreiheit zweifeln.
Ohne einer bereits bestehenden minimalen Transparenzbestimmung wäre der Fall möglicherweise gar nicht an die Öffentlichkeit gekommen. Die „Bekanntmachung vergebener Aufträge“ im Amtsblatt der EU hat das Interesse an dieser Vergabe geweckt, da darin zu lesen war, dass „Bewachungsleistungen“ im Abschiebezentrum an G4S vergeben wurden, und dass es nur eben diesen einen Bieter im Verhandlungsverfahren gab. Von dieser Information ausgehend haben sich NGOs, Abgeordnete, Menschenrechtsexperten und engagierte Bürger mit der Auslagerung befasst, und nicht zuletzt Dank umfangreicher medialer Berichterstattung vorerst erreicht, dass die Volksanwaltschaft eine Vertragsprüfung eingeleitet und das BMI einige kritische Vertragspunkte via Weisung entschärft hat.
Welche Lehren kann man aus dem Fall nun ziehen?
1) Wenn es Schlupflöcher gibt, werden sie genutzt
In Fällen wie diesen, die man nicht gern in der Öffentlichkeit diskutiert, ist die Verwaltung nicht besonders hilfreich dabei, Informationen zur Verfügung zu stellen und damit die Möglichkeit zu geben, etwaige Misstände aufzudecken. Im Gegenteil: Journalisten wurden zahlreiche Auskünfte (wie etwa Ausschreibungsunterlagen) verweigert, auf deren Grundlage sich diese überhaupt erst recherchieren lassen würden.
Nicht nur sie konnten keine weiteren gesicherten und objektivierbaren Informationen bekommen, auch der parlamentarischen Kontrolle hat man sie entzogen. Das BMI hat die Ausschreibung, zu der Kritik wohl zu erwarten war, mittels Vertrag an die Gemeinde Vordernberg ausgelagert. Parlamentarische Anfragen von den Grünen und NEOS wurden mit dem Hinweis, dass die Verantwortung für das Vergabeverfahren und den Vertrag mit G4S bei der Gemeinde Vordernberg liegt, vom BMI nicht beantwortet.
2) Nur Informationsfreiheit garantiert Information
Keine Information zu bekommen ist schlimm genug. Aber ohne Transparenzgesetz bekommen Bürger nicht nur “keine Information”, vielmehr lassen sich Information nach politischen Gesichtspunkten filtern und nur jene Daten veröffentlichen, die der betroffenen Behörde gerade genehm sind. Andere können unveröffentlicht bleiben.
Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Halb- und Unwahrheiten weitergegeben werden.
Es gibt nur wenige schriftliche Stellungnahmen des BMI zum Fall Vordernberg. In Gesprächen mit Journalisten, so wurde uns berichtet, seinen dabei auch nicht immer ganz korrekte Informationen weitergegeben worden. Demnach wurde behauptet, die Aufgabenteilung zwischen Exekutive und G4S wäre im Vertrag klar geregelt (später gab es eine umfangreiche Weisung zur Konkretisierung der oberflächlichen Regelungen) und auch Informationen zur Mitarbeiteranzahl, zur Vertragslaufzeit und zu den Kosten seien demnach nicht immer ganz akkurat weitergeleitet worden.
Besonders problematisch für die öffentliche Diskussion war vor allem die Behauptung, der Vertrag mit G4S wäre veröffentlicht worden. Das BMI behauptet das selbst in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage. Was aber insinuieren könnte, dass der gesamte Vertrag wäre veröffentlicht worden sei. Wenn man sich beispielsweise als Journalist auf diese Auskunft verlässt, und diesen damit angeblich gesamt-veröffentlichten Vertrag ansieht, wundert man sich möglicherweise über die Aufregung von NGOs und Menschenrechtsexperten. Tatsächlich aber wurde nur ein Vertragsauszug veröffentlicht und die besonders kritisierten Punkte sind in den unveröffentlichten Vertragsbestandteilen enthalten.
3) Transparenz verbessert die Qualität
Experten kritisieren darüber hinaus bezüglich der Ausschreibung und der Verträge von Vordernberg vor allem, dass deren Qualität mangelhaft sei. Hätte man bereits in der Projektvorbereitung damit rechnen müssen, dass die Unterlagen von Bürgern eingesehen werden können, hätten man die Verträge möglicher Weise deutlich bedachter ausgearbeitet und vielleicht bereits im Vorfeld den Menschenrechtsbeirat eingebunden. Auch die extrem selektiven Eignungskriterien hätte man unter Umständen in dieser Form nicht in die Ausschreibung genommen.
Das grundlegende Problem bei all diesen Dingen: Wenn wir in Österreich überhaupt an Informationen kommen, kann man sich nach der derzeitigen Rechtslage nicht sicher sein, ob es auch die gesamten Informationen sind, die man braucht um eine Sache umfassend beurteilen zu können. Wir wissen nicht, welche Ausschnitte uns gezeigt werden, was sie eventuell implizit beschönigen, wem sie nutzen, für wen sie bequem sind – und was vielleicht lieber nicht kommuniziert wird. Um sich ein ganzheitliches Bild machen zu können, dürfen Informationen jedoch nicht willkürlich gefiltert werden. Und sie sollten auch nicht erst durch Druck an die Öffentlichkeit dringen müssen. Interessierte BürgerInnen müssen ein Recht auf umfassende Information darauf haben. Nur ein umfassendes Transparenzgesetz sichert dieses Recht.