Die geheimen Gründe für das Akademikerball-Platzverbot
Morgen findet dieses Jahr der Akademikerball statt. Der von der FPÖ organisierte Ball wird oft von Mitgliedern rechter und extrem rechter Parteien besucht, weswegen seit 2008 auch Demonstrationen gegen den Ball abgehalten werden. Ich habe bereits vor drei Jahren eine Anfrage zum Akademikerball gestellt und ein Dokument erhalten – trotzdem muss ich vor Gericht ziehen. Denn die Landespolizeidirektion Wien weigerte sich mir dasselbe Dokument zu übermitteln. Das klingt verwirrend? Ist es auch. Aber von vorne:
Im Jänner 2014 wurden erstmals weitläufige Platzverbote verhängt und dadurch auch die in den Vorjahren friedliche Demonstration gegen den Akademikerball am Heldenplatz untersagt. Die Polizei wurde zu dieser Zeit von vielen Seiten für diesen Beschluss kritisiert, das Platzverbot wurde seitdem jedes Jahr aufs neue verhängt.
Am Tag der Ankündigung des Platzverbots fragte ich beim zuständigen Bundesministerium für Inneres (BMI) Kopien der Dokumente an, die zur Vorbereitung der Entscheidung erstellt wurden. Ich wollte mir selbst ein Bild machen, auf welcher Gefahren- oder Risikoeinschätzung das Platzverbot basierte, und ob es eine ausreichende Grundlage für diese Einschränkung des Demonstrationsrechts gab.
Wenn ich die Dokumente bekommen hätte, ihr Inhalt nachvollziehbar gewesen wäre, würde ich nicht drei Jahre später einen Blogpost darüber schreiben. Also: was ist passiert?
Die Landespolizeidirektion Wien (an die die Anfrage vom BMI weitergeleitet wurde) behauptete, sie müsse sich mir gegenüber nicht rechtfertigen und mir schon gar nicht Dokumente aushändigen.
Das Verwaltungsgericht ließ das nicht durchgehen. Es stellte einen Verfahrensmangel durch unzureichende Begründung fest und wies die Behörde an, die Anfrage erneut zu bearbeiten und entweder zu beantworten oder eine Informationsverweigerung juristisch korrekt zu argumentieren. Das Gericht darf eine solche Entscheidung nur in folgenden Fällen treffen:
Meine Interpretation als nicht-Jurist: die Behörde hat geschlampt. Das ist leider nicht ungewöhnlich, bei den vier bisher entschiedenen Verfahren lautete die Entscheidung: Verfahrensmangel, zurück zur Behörde.
Die Landespolizeidirektion Wien hatte also einen zweiten Versuch. Dieses Mal argumentiert sie erneut, dass mir kein Recht auf Übermittlung von Kopien zustünde. Aber: sie fasst im Bescheid das Gefährdungsanalyse-Dokument in eigenen Worten zusammen. Dies kommt einer Beantwortung meiner Anfrage schon näher, allerdings: in dieser Version ist nicht klar, wie viel die Behörde zurück hält. Die Frage kann nur durch Übermittlung teilweise geschwärzter Dokumente geklärt werden.
Natürlich habe ich gegen diese Auskunftsverweigerung erneut Beschwerde eingelegt. Eine pauschale Verweigerung der Übermittlung von Dokumenten ist nach meiner Rechtsansicht rechtswidrig. 2013 wurde Österreich vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für eine Verweigerung der Dokumentenübermittlung verurteilt, seitdem ist klar: zumindest Mitglieder von “public watchdogs” haben ein Recht auf Übermittlung von (teilweise geschwärzten) Kopien von Dokumenten.
Aber: Sie sehen hier ein Dokument, das ungefähr dem entspricht, was ich wollte. Eine geschwärzte Version des Originaldokuments. In ihm ist die Struktur des Originaldokuments ersichtlich, man sieht wo wie viel weitergegeben wurde – und wie viel nicht. Man könnte aufgrund des Dokuments entscheiden, ob es sinnvoll wäre, die einzelnen Schwärzungen gerichtlich überprüfen zu lassen.
Das Dokument wurde mir nicht zugespielt. Wenn eine Behörde eine Auskunft verweigert, kann man diese Verweigerung in Bescheidform ausführen lassen. Nur gegen diesen Bescheid sind Rechtsmittel möglich, in ihm wird (theoretisch) juristisch argumentiert, warum die Auskunft nicht möglich war. Es gibt außerdem einen Akt zur Erstellung des Bescheids, in den man als Antragsteller Einsicht nehmen kann.
Im Akt zum Bescheid war die geschwärzte Version des Originaldokuments hinterlegt. Das Dokument, über das im Bescheid argumentiert wird, dass ich es nicht haben darf.
Am 26. August 2016 habe ich Rechtsmittel gegen den Bescheid eingebracht. Weil es inakzeptabel ist, dass sich eine Behörde aus Prinzip weigern kann, ein Originaldokument zu übermitteln. Besonders wenn genau das Dokument über eine wenig bekannte Hintertür trotzdem einsehbar ist. Theoretisch sollte das Verwaltungsgericht innerhalb von sechs Monaten urteilen, unserer Erfahrung nach kann es aber länger dauern.