Amtsgeheimnis-Award „Mauer des Schweigens 2017“ geht an Regierungsparteien SPÖ und ÖVP

Mathias Huter

Beschäftigt sich mit Transparenz, Open Data und Anti-Korruption, interessiert sich besonders für Parteienfinanzierung und Beschaffungen. Von 2009 bis 2014 für Transparency International Georgia in Tiflis tätig.

Anlässlich des Internationalen „Tag der Informationsfreiheit“ – dem Right to Know Day am 28. September 2017 – verleiht das „Forum Informationsfreiheit (FOI)“ den heurigen Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ an die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP für ihre Verdienste um den Schutz des Amtsgeheimnisses.

Die Bürgerrechtsorganisation vergibt den jährlichen Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für besondere Bemühungen um die Verweigerung amtlicher Antworten und die Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern.

(c) Christian MUELLER

In den vergangenen Jahren ging der Negativ-Preis für die Verhinderung von Transparenz u.a. an das Österreichische Innenministerium (für das Zutrittsverbot für Journalisten zum Flüchtlingslager Traiskirchen) sowie an die Stadtschulrat Wien (für die Weigerung, Eltern Einsicht in die Lesetests ihrer Kinder nehmen zu lassen).

Abschaffung des Amtsgeheimnisses – ein gebrochenes Versprechen

Die Begründung fiel heuer sehr eindeutig aus: „Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP haben den Bürgern aufgrund des öffentlichen Drucks für ein Transparenzgesetz versprochen, das Amtsgeheimnis abzuschaffen – und dies seither nicht getan. Mehr noch: Die Regierungsparteien ließen sich für die puren Ankündigungen in den Medien jedes Mal aufs Neue feiern, verweigerten jedoch öffentliche Verhandlungen mit den Bürgern, und verschleppten das Thema in geheime Hinterzimmergespräche. Das Ergebnis ist damit ein unausgegorener Regierungsentwurf, der gefährliche Verheimlichungspassagen enthält – und dem sogar der zuständige Sektionschef im Hearing des Nationalrats attestiert, dass Österreichs Bürger danach auch weiterhin nicht wissen dürften, was beispielsweise der vieldiskutierte neue Grenzzaun bei Spielfeld kosten würde.“

Damit ist die Entscheidung des Forum Informationsfreiheit heuer mehr als eindeutig gewesen.

Intransparenz bei der Verfassung des Informationsfreiheitsgesetzes

Hinzu kommt, dass die Regierungsparteien den Prozess immer wieder der Öffentlichkeit entziehen, und in intransparenten Verfahren nicht nachvollziehbare Änderungen aufgrund von nicht nachvollziehbaren Wünschen nicht bekannter Player vornehmen.Mauer des Schweigens – Forum Informationsfreiheit

Die konkreten Positionen von SPÖ und ÖVP zu einem Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information sind deshalb auch nach über vier Jahren der politischen Debatte für die Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar.

„Die Regierungsparteien lassen uns Bürger nicht einmal wissen, ob und wie der Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz nach der Begutachtung und nach fundierter Kritik von Journalistenorganisationen, Zivilgesellschaft und internationalen Experten abgeändert wurde. Diese Dokumente bleiben weiter unter Verschluss. Das ist eines transparenten Verfahrens für ein Transparenzgesetz nicht würdig“, sagt Mathias Huter, Generalsekretär des Forum Informationsfreiheit.

Österreich bleibt damit weiter die letzte Demokratie Europas mit einem Amtsgeheimnis im Verfassungsrang. Die seit mehreren Jahren im Parlament liegenden Reformpläne, die allerdings ohnehin nur ein Amtsgeheimnis 2.0 gebracht hätten, begruben die Regierungsparteien im Juni.

Verhandlungen verweigert, Gesprächstermine ausgeschlagen

Seitens der SPÖ hat seit viereinhalb Jahren kein Abgeordneter der Kanzlerpartei ein inhaltliches Gespräch mit den Vertretern des Forum Informationsfreiheit dazu geführt. Der zuständige Verfassungssprecher Peter Wittmann hat vielmehr Gesprächseinladung dazu ausgeschlagen bzw. ist sogar zu Mehrparteienterminen mit FOI und Journalistenorganisationen nicht erschienen.

Seitens der ÖVP hat der damalige Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz versprochen, sich des Themas anzunehmen, doch nach dem Scheitern der ersten Bemühungen trotz mehrfacher persönlicher Zusagen einem weiteren Gesprächstermin nicht zugestimmt.

Chronologie: Die jüngsten Ereignisse im Detail

Im September 2016 hat das FOI im Verfassungsausschuss des Parlaments seine detaillierte Kritik am Entwurf für das Informationsfreiheitsgesetz den Abgeordneten dargelegt. Als sich bei diesem Expertenhearing gezeigt hat, dass der Gesetzesentwurf laut seinen Autoren noch mehr Geheimhaltung erlauben würde, als ohnehin befürchtet – demnach wären etwa die Kosten des Grenzzauns in Spielfeld oder Beratungsverträge der Ministerien unter Verschluss geblieben – schlugen selbst Journalistenvertreter öffentlich Alarm.

In der Folge luden die führenden Journalistenorganisationen – Journalistengewerkschaft, Vereinigung der ParlamentsredakteurInnen, Initiative für Qualität im Journalismus, Presseclub Concordia, Reporter ohne Grenzen – zusammen mit dem Forum Informationsfreiheit die Verhandler aller Parlamentsparteien zu einem Runden Tisch, um die Schwachstellen des Gesetzesentwurfs – und den politischen Willen für ein internationalen Standards entsprechendes Informationsfreiheitsgesetz – zu diskutieren. Nur Vertreter der Oppositionsparteien Grüne, NEOS und Team Stronach kamen. Der ÖVP-Vertreter war verhindert, von der SPÖ gab es keine Bereitschaft, mit Journalistenvertretern ein Recht auf Informationszugang zu diskutieren.

Als Reaktion auf starke Kritik auf Twitter lud Bundesminister Thomas Drozda Vertreter des FOI schließlich im Oktober 2016 in sein Büro, gemeinsam mit dem zuständigen Sektionschef im Bundeskanzleramt – der erste Gesprächstermin dort seit Anfang 2013.

In separaten Treffen mit Verhandlern der Grünen und der FPÖ – den beiden Parteien, die eine für einen Beschluss notwendige Verfassungsmehrheit hätten liefern können – legte das Forum Informationsfreiheit seine Kritik und seine Vorstellungen für ein echtes Transparenzgesetz dar, und schlug auch entsprechende Formulierungen vor.

Grüne und Neos derzeit einzige Parlamentsparteien für Transparenzgesetz nach internationalen Standards

Soweit es nachvollziehbar ist, haben sich Grüne und NEOS als einzige Parlamentsparteien für ein echtes Transparenzgesetz, das guten internationalen Standards entsprechen würde, eingesetzt.

Zusammen mit Journalistenvertretern haben wir eine Policy Group geformt und in zwei Folge-Treffen mit Mitarbeiterinnen des Verfassungsdiensts und Fachreferenten von Minister Drozda unsere Kritikpunkte an öffentlich bekannten Gesetzesentwürfen im Detail erläutert. Eine Reaktion darauf blieb komplett aus.

Was davon – und ob überhaupt etwas – schlussendlich in Entwürfe eingearbeitet wurde, ist nicht nachvollziehbar. Bis heute sind nur mehrere Jahre alte Gesetzesentwürfe bekannt – Gespräche und Verhandlungen zwischen den Parteien und Vertretern der Länder fanden hinter verschlossenen Türen statt.

Landeshauptleute mit angeblichen Sonderwünschen

Ebenso wenig nachvollziehbar bleiben die Positionen der Landesregierungen, die zwar in Koalitionsabkommen vielfach mehr Transparenz ankündigen, gleichzeitig aber auf der Bremse standen – und den Beschluss eines echten Informationsfreiheitsgesetzes nach Auskunft beteiligter Personen durch das Verhängen von Junktimen weiter erschwerten: Ihre Zustimmung zu einem österreichweit einheitlichen Bürgerrecht auf Zugang zu staatlicher Information wollten die Landeshauptleute nur geben, wenn sie im Gegenzug mehr Rechte bei der Ernennung von Landesamtsdirektoren und der Neuziehung von Gemeindegrenzen vom Bund erhalten. Ein quid pro quo auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger.

Für die Wahl sammelte das Forum Informationsfreiheit in den letzten Wochen die – nicht einheitlich und transparent verfügbaren – Email-Adressen der Kandidatinnen und Kandidaten. An sie schicken wir noch diese Woche einen Fragebogen, wie sie als mögliche zukünftige Abgeordnete zum Transparenzgesetz stehen.

„Right to Know Day“: Der internationale „Tag der Informationsfreiheit“

Der Zugang zu Information ist ein Menschenrecht. Information ist die Grundlage der Demokratie und der sinnvollen Partizipation an politischen Prozessen. Am Tag der Informationsfreiheit werden international Zeichen für das Recht der Bürger auf Zugang zu den Informationen ihres Staates gesetzt. Mit der “Mauer des Schweigens” unterstreicht das Forum Informationsfreiheit seine Forderung nach der Einführung eines internationalen Beispielen folgenden Bürgerrechts auf Informationszugang.

Über das Forum Informationsfreiheit (FOI)

Das Forum Informationsfreiheit (FOI) ist die zentrale NGO in Österreich für das Recht auf Zugang zu Information und wurde mit dem Concordia-Preis für Pressefreiheit 2013 und dem Demokratiepreis 2014 der Margaretha Lupac-Stiftung des Österreichischen Parlaments ausgezeichnet. Das Forum Informationsfreiheit ist die Trägerorganisation der Kampagne Transparenzgesetz.at, die von mehr als 10.000 Österreicherinnen und Österreichern unterstützt wird und die österreichische Regierung dazu brachte, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses zu versprechen. Das FOI betreibt auch die Seite FragDenStaat.at, über die BürgerInnen unkompliziert und öffentlich Auskunftsbegehren an staatliche Stellen richten können, sowie das Transparenzportal Parteispenden.at.