„Mauer des Schweigens 2020” geht an Gesundheitsbehörden, Finanz- und Infrastruktur sowie Verteidigungsministerium
Negativ-Award: Der „Goldene Informationsfilter” geht an die türkis-grüne Bundesregierung für die intransparente Fördervergabe von Corona-Hilfen durch COFAG und Wirtschaftskammer.
Anlässlich des internationalen Right to Know-Day am 28. September verleiht das Forum Informationsfreiheit seit 2014 den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ an staatliche Stellen für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“.
1. Platz für Gesundheitsministerium und -behörden: Corona-Intransparenz
„Für das Transparenz-Multiorganversagen rund um die Daten der Corona-Pandemie und Corona-Ampel“
Das Gesundheitsministerium und die verantwortlichen Gesundheitsbehörden verschweigen wiederholt Entscheidungsgrundlagen und Daten zur Verbreitung von COVID-19. Ein Sinnbild für die fehlenden Transparenz-Bemühungen des Gesundheitsministers fand sich auch in der Pressekonferenz, bei der die Corona-Ampel vorgestellt wurde. Die Aussage, dass diese Maßnahme Transparenz und faktenbasierte Entscheidungen bringen werde, wurde konterkariert, indem Fragen nach den Schwellwerten, bei deren Überschreitung in der Kommission über die Ampelfarben „Orange“ und „Rot“ diskutiert werden wird, nicht beantwortet wurden. Außerdem wird immer noch nicht regelmäßig veröffentlicht, wie lange die Wartezeiten auf Tests, sowie zwischen Testergebnis und Benachrichtigung sind, und es wird nicht kommuniziert wie lange die Behörden für das „Contact-Tracing“ benötigen.
Weitere Beispiele für die Versäumnisse des Gesundheitsministeriums, die zur Verleihung des ersten Platzes führen, finden Sie in der ausführlichen Nominierungsbegründung unter Informationsfreiheit.at.
2. Platz für Finanz- und Infrastrukturministerium: AUA-Rettung
„Die geheime €450-Millionen Rettung der Austrian Airlines: hunderte Millionen Euro Steuergeld für eine private Fluglinie – ohne Transparenz und öffentliche Kontrolle”
Das AUA-Rettungspaket wurde Anfang Juni auf einer Pressekonferenz von Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Finanzminister Gernot Blümel und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler präsentiert. Außerordentlich groß war die Überraschung, als Infrastrukturministerium und Finanzministerium nach Anfragen jegliche Zuständigkeit verneinten, da die Vertragspartner doch COFAG und ÖBAG seien. Das Forum Informationsfreiheit fordert: wenn Behörden etwas in einer Pressekonferenz präsentieren, sollten sie auch kritische Nachfragen beantworten müssen.
3. Platz für Bundesministerium für Landesverteidigung: Cyberdefense
„Für das Geheimhalten von Informationen gegenüber dem Parlament, die MinisterInnen kurz darauf in Pressekonferenzen bekannt geben”
In gleich zwei parlamentarischen Anfragen erkundigte sich der Nationalratsabgeordnete Douglas Hoyos-Trauttmansdorff nach der personellen und technischen Ausstattung im Bereich Cyberdefense. Er wollte auch wissen, ob diese Abteilung in Zukunft mehr Personal bekommen soll. Das Verteidigungsministerium verweigerte die Antwort mit einem Hinweis auf die Geheimhaltung im Sinne der Landesverteidigung. Kurze Zeit später kündigte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die Aufstockung der Abteilung Cyberdefense von 20 auf 250 Personen an. Auf der Webseite des Bundesheeres wurden also Informationen veröffentlicht, die gegenüber den Abgeordneten vier Monate zuvor geheim gehalten wurden.
Sonderpreis: „Der goldene Informationsfilter” für die Bundesregierung
„Für die intransparente Handhabung der Corona-Hilfen und die intransparente Ausgestaltung der COFAG“
Es gibt keine zeitnahe Veröffentlichung, welche staatlichen Mittel aus welchen Corona-Fördertöpfen vergeben und ausbezahlt wurden, und keinerlei Nachvollziehbarkeit, welche Unternehmen und Organisationen welche staatlichen Hilfen erhalten haben. Alleine aufgrund des riesigen Fördervolumens wäre dies besonders wichtig, um eine effiziente Verwendung der Mittel sicherzustellen und unter Umständen auch Missbrauch aufzudecken.
Das Konstrukt der COFAG befördert Misstrauen und behindert die Kontrolle durch Bürger, NGOs und Parlament. Eine parlamentarische Kontrolle wird verhindert, indem die Oppositionsparteien zwar VertreterInnen in einen Beirat entsenden können, dieser Beirat jedoch zu vollständiger Verschwiegenheit verpflichtet ist und überhaupt erst ab einer gewissen Förderungshöhe befasst wird.
Auch die Auslagerung des Härtefallfonds an die Wirtschaftskammer ist eine Transparenzbremse, da die Wirtschaftskammer – anders als Behörden – nur ihren eigenen Mitgliedern gegenüber auskunftspflichtig ist. Außerdem werden Unvereinbarkeiten geschaffen: Detaillierte Finanzdaten von Betrieben gelangen in die Hände der Wirtschaftskammer, in der möglicherweise Wettbewerber der betroffenen Betriebe maßgeblichen Einfluss haben.
Die vollständigen Begründungen inklusive Quellenangaben finden Sie auf Informationsfreiheit.at.
FOI befürchtet Placebo-Transparenzgesetz
„Unter der Türkis-Grünen-Regierung gibt es bislang keine erkennbaren Fortschritte in Sachen Transparenz. Ein erster Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz wurde noch im Juli für ,vor dem Sommer‘ angekündigt, liegt aber immer noch nicht vor“, sagt Mathias Huter, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit.
Die Corona-Krise und die damit verbundenen Maßnahmen und Fördertöpfe erfordern ein hohes Maß an öffentlicher Nachvollziehbarkeit und Kontrolle – auch, um sicherzustellen, dass die Regierung Grundrechtsbeschränkungen verhältnismäßig vorschreibt und dass die vielen Milliarden Steuergeld effizient eingesetzt werden. „Die Preisträger der Mauer des Schweigens zeigen jedoch, dass es gerade rund um die COVID-19 Maßnahmen der Regierung ein erschreckend viel Geheimhaltung und Intransparenz gibt. Es wäre dringend nötig, endlich volle Nachvollziehbarkeit über das Handeln der agierenden Behörden sicherzustellen, welche Unternehmen und Organisationen Millionenbeträge aus öffentlichen Fördertöpfen erhalten, und auf Basis welcher Evidenz COVID-19 bedingte Einschränkungen beschlossen werden”, sagt Huter.
Einmal mehr fordert das Forum Informationsfreiheit von den Regierungsparteien die Vorlage eines internationalen Standards entsprechenden Informationsfreiheitsgesetzes. Ein Gesetz ohne Informationsbeauftragten oder eine vergleichbare unabhängige Kompetenz- und Kontrollstelle, die die Umsetzung von Transparenzbestimmungen vorantreiben und begleiten würde, würde zu einem Placebo-Transparenzgesetz werden.
28. September – International Right to Know-Day
Der Internationale Right to Know-Day macht seit über 15 Jahren international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam, und wird mittlerweile auch von der UNESCO als „International Day for Universal Access to Information“ begangen.
Vergeben wird die “Mauer des Schweigens“ vom Forum Informationsfreiheit, das sich für Transparenz in Politik und Verwaltung und ein Recht der BürgerInnen auf Information einsetzt. Viele der nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at, auf dem Bürgerinnen und Bürger, JournalistInnen und VertreterInnen zivilgesellschaftlicher Initiativen ihre Anfrage direkt an die Behörden stellen können – und diese von der Verwaltung auch gemäß Auskunftspflichtgesetz beantwortet werden müsste. Die Behörden sind gesetzlich zu einer Antwort verpflichtet, verweigern aber oft die Auskunft – mit unterschiedlichsten Begründungen.
Hintergrund: Die bisherigen Negativ-Preisträger der “Mauer des Schweigens”
Im Vorjahr ging „Die Mauer des Schweigens“ an das Land Niederösterreich für die Geheimhaltung für Informationen und Verträge in der Causa Jugend-Asylheim Drasenhofen und an das Innenministerium für die Verweigerung der Nennung jener Personen, die die Staatsbürgerschaft auf Regierungsentscheid wegen “besonderem Interesse der Republik” erhalten haben.
Der Goldene Informationsfilter wurde 2019 erstmals an die türkis-blaue Bundesregierung für deren “Message Control” verliehen.
Alle Informationen, Hintergründe und Preisträger der letzten Jahre gibt es hier.