Zehn Jahre Transparenzgesetz.at – die Rede
Die Rede von Vorstandsmitglied Markus Hametner in Vertretung von Obmann Mathias Huter zum Anlass der Feier „10 Jahre für ein Informationsfreiheitsgesetz“ am 13.9.2023.
Im Rückblick: Was haben wir jetzt zehn Jahre lang gemacht?
Anfangs haben wir eine Entscheidung getroffen, über die wir uns heute froh zeigen können: wir haben nicht auf die Versprechen der Regierung gesetzt. Wir haben ihr nicht geglaubt, als es hieß, dass in zwei Wochen das Amtsgeheimnis fallen soll. Oder noch vor dem Sommer, oder noch dieses Jahr – also 2013.
Wir haben sie nur an ihre Versprechen erinnert und geschafft, den medialen Druck aufrecht zu halten. Das Ergebnis? Nach zehn Jahren fragt niemand mehr uns, warum wir denn Transparenz wollen – sondern die jeweilige Regierung wird gefragt, wann sie endlich kommt.
Mit dem Aufbau der Bürgerplattform FragDenStaat.at haben wir gleichzeitig Infrastruktur geschaffen – für andere Bürgerinitiativen, für Journalist:innen, aber auch für uns. Wir haben über sie relevante Fragen gestellt – und uns nicht nur gefreut, wenn wir Antworten bekommen haben, sondern sind auch gegen die Republik vor Gericht gezogen, wenn die Verwaltung mit fragwürdigen Argumenten Auskünfte verweigert hat. Wir konnten so die in Österreich den alltäglichen Gesetzesbruch durch Behörden bei der Bearbeitung von Anfragen dokumentieren. Eine Informationspolitik nach Gutsherrenart, wo zuerst das Melderegister abgefragt wird, bevor entschieden wird, ob eine Frage beantwortet wird.
Wir kennen deswegen den absurden, zeitraubenden und bürgerfeindlichen Beschwerdeprozess fast in-und auswendig. Und wir haben – hier ein Shout-Out an alle Menschen, die uns juristisch unterstützen – vor den Höchstgerichten Informationen erstritten, bei denen vor zehn Jahren noch viele meinten, das gehe wegen dem Amtsgeheimnis sicher gar nicht. Eurofighter-Gegengeschäfte, Eurofighter-Kaufverträge, Beschlüsse der Landesregierungen, bis zu Empfänger von freihändig vergebenen Covid-Förderungen. Alles kein Amtsgeheimnis, gerichtlich bestätigt, dank dem Einsatz des Forum Informationsfreiheit. Das Learning: das Amtsgeheimnis ist nicht das Gesetz – sondern die Praxis rechtswidriger und konsequenzfreier Handlungen der Behörden.
Der Amtsgeheimnis-Award „Mauer des Schweigens“, den wir auch seit einigen Jahren jährlich vergeben, wird breit wahrgenommen – wobei ich mich bei manchen Anfragen, bei besonders abenteuerlichen Begründungen, schon frage, ob sich die Behörde durch den Award inspirieren hat lassen.
Bei unseren kleineren Forderungen und Projekten sind wir auch weiter gekommen: die Gesetze zur Parteienfinanzierung wurden reformiert und etwas verschärft, auch unsere Forderung nach steuerlicher Absetzbarkeit von Engagement für die Demokratie scheint näher zu rücken. Und auch unser Projekt OffeneVergaben.at ermöglicht immer wieder journalistische Berichterstattung zu Auftragsvergaben der öffentlichen Hand.
Eindrücke von der Feier
Die bisherigen Regierungen haben sich in der gleichen Zeit hauptsächlich dadurch ausgezeichnet, Deja-Vu-Erlebnisse auszulösen.
Die regelmäßigen Versprechen, bis wann auf Bundesebene das Amtsgeheimnis abgeschafft werden, lassen wir mal außen vor.
Im ersten Jahr schon wurde bis zum Sommer ein Verfassungsentwurf angekündigt, vor einer Parlamentssitzung hieß es auch, dass er eingebracht werden wird. Wurde er nicht. Und wurde danach auch noch geheim gehalten – erst nach einem offenen Brief mit starker Kritik haben ÖVP und SPÖ ihre unterschiedlichen Entwürfe geteilt.
Was passiert diesen Sommer? Man liest, es gibt einen Entwurf, Stand Juni 2023. Dieser wurde uns weder von den Grünen, noch von der ÖVP übermittelt – Deja Vu.
In sechs von neun Ländern wurde zumindest einmal ein Transparenzgesetz im Regierungsprogramm versprochen – oft nur, wenn auf Bundesebene keins kommt. Umgesetzt? Bisher keines – Deja Vu.
Angeklopft für unsere Expertise – immerhin haben wir auch an den Landesverwaltungsgerichten Verfahren geführt – hat in letzter Zeit keine Landesregierung. Aber die Steiermark schafft sicher im kommenden Jahr noch ein tolles Transparenzgesetz. Wie versprochen.
Und die Prozesse zu den Gesetzesentwürfen? Dazu habe ich ein Zitat. Wer hat es gesagt?
„Ein Transparenzgesetz durch einen intransparenten Gesetzgebungsprozess abzuwickeln, das wird nicht gehen“
Es waren nicht wir … es war ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf am 12. Juni 2013 im Parlament. Mit dieser Begründung wurde der erste Versuch der Abschaffung abgesägt.
Transparenter ist der Gesetzgebungsprozess auch unter der Verantwortung der ÖVP nicht geworden. Wie sich das auf die Qualität für die Bürger auswirkt, sieht man nicht nur an den heutigen Vorschlägen (über 2.000 Gemeinden von der proaktiven Veröffentlichungspflicht auszunehmen, Anm.), sondern auch an der Verfassungsänderung, die Transparenz in staatliche Studien bringen sollte, und für die auch kein Input aus der Zivilgesellschaft eingeholt wurde. Die involvierten Parteien haben eine Veröffentlichungspflicht im Internet versprochen, geblieben ist: die Behörden können machen was sie wollen, kontrolliert wird es sowieso nicht, und statt Veröffentlichung reicht auch die mögliche Einsicht im Gemeindeamt.
„Ein Transparenzgesetz durch einen intransparenten Gesetzgebungsprozess abzuwickeln, das wird nicht gehen“
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf, 2013
Was ließen sie sich dafür bejubeln. Weil oft das erzählte reicht. Für uns zählt aber das Erreichte.
Die Regierung hat jetzt also vor, kleinere – also quasi alle – Gemeinden zu „entlasten“, indem sie keine Informationen proaktiv veröffentlichen müssen. Das ist ein Trugschluss, denn die proaktive Veröffentlichungspflicht ist ein Weg dahin, dass Arbeit eingespart wird – für die Beantwortung einzelner Anfragen, für die Kommunikation zwischen Behörden und im Amt selbst. Deswegen ist die proaktive Veröffentlichung in einem zentralen Register eine unserer Kernforderungen – und integraler Bestandteil des Hamburger Modells, dass von allen Parteien versprochen wurde.
Was bleibt dann in den Gemeinden von der Amtsgeheimnis-Abschaffung übrig? Genau die gleichen Regeln und mühsamen Beschwerdeprozesse wie jetzt – Transparenz nur für die, die Zeit haben, und sich es mit ihren Bürgermeistern verscherzen können.
Und jede dieser Regeln wäre in Zukunft nur mehr änderbar, wenn alle Landeshauptleute zustimmen. Das steht so im letzten Entwurf. Den aktuellen kennen wir ja nicht – aber nachdem die Regierungsparteien wohl nur Vorschläge für Verschlimmbesserungen akzeptieren, wird das wohl bleiben.
Deswegen bleibt mir nur zu warnen:
Nicht jeder neue Entwurf ist ein Fortschritt. Nicht in jedem Paket, das „Amtsgeheimnis-Abschaffung“ genannt wird, ist sie auch drin.
Darauf werden wir auch in Zukunft öffentlich hinweisen und wir schätzen uns sehr glücklich, auch Mitstreiter gefunden haben, die die Relevanz der Informationsfreiheit erkennen. Der Runde Tisch der NGOs, zu dem wir die Minister Edtstadler und Kogler letztes Jahr eingeladen haben, war nur durch deren Engagement möglich und auch Initiativen wie der Demokratieindex helfen uns, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu kommunizieren.
Als nächstes wird man von uns wohl hören, wenn es eine neue Mauer des Schweigens zu vergeben gibt – also in etwa zwei Wochen. Vorschläge nehmen wir gerne hier an.
All das passierte in den letzten 10 Jahren und ein bisschen mehr. Wenn ich aber so in die Runde schaue und jene die da sind, und auch an die Vielen denke, die heute nicht da sein können, dann freut es uns zu sehen, dass wir doch zu einer guten Zahl an Mensch den Funken überspringen lassen konnten. Und das Feuer für die Sache auch in Ihnen ein wenig entfachen konnten. Denn wenn wir uns ansehen, was früher von NGOs und Journalist:innen an Anfragen gestellt wurden, und was heute von ihnen bis vor den Verfassungsgerichtshof durchgefochten wird und wozu das führt, dann werden die letzten 10 Jahre auf die nächsten 10 Jahre hinaus wirken – und auch noch ein bissl mehr. In diesem Sinne: Danke fürs kommen – und lasst uns anstoßen auf echte Transparenz und Informationsfreiheit in Österreich. Und uns alle weiter dafür für engagieren.
Herzlichen Dank – und eine schöne Feier!