Unsere Einschätzung im Verfassungsausschuss
Am Montag, 15.1.2024, war Forum Informationsfreiheit–Vorstandsmitglied Markus Hametner im Verfassungsausschuss des Parlaments geladen, um zu einem (abgeänderten) Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz Stellung zu nehmen. Wir veröffentlichen hier den vom Parlament bereitgestellten Entwurf, das Manuskript des Eingangsstatements von Markus Hametner sowie den Link zum aufgezeichneten Livestream auf der Parlaments-Homepage.
Sg. Damen und Herren,
in zwei Wochen werden es elf Jahre, seit das Forum Informationsfreiheit erstmals die Forderung nach einem Transparenzgesetz erhoben hat. Einem Transparenzgesetz, das Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu staatlichen Informationen ermöglicht, eine proaktive Veröffentlichungspflicht in einem zentralen Register vorsieht, nach internationalem Vorbild überwacht und kontrolliert von einem oder einer unabhängigen Informationsbeauftragten. Und es werden bald elf Jahre sein, seit alle im Parlament vertretenen Parteien zugesagt hatten, die Forderungen dieser Petition umzusetzen.
Heute sprechen wir über ein Gesetz, das Ansätze dieser Forderungen umsetzt. Ich werde die Verbesserungen ansprechen, muss aber in Folge auch auf ambivalente und problematische Punkte hinweisen.
Die wichtigsten Verbesserungen: Eine längst überfällige Klarstellung, dass ein Bürger bzw. eine Bürgerin das Recht auf staatliche Informationen und Dokumente hat, und nicht nur mit vagen Auskünften abgespeist werden kann. Der neu vorgesehene Informationszugang gegenüber vom Staat kontrollierten privaten Organisationen. Diese beiden Verbesserungen sind Meilensteine in den Informationsrechten und werden in der Praxis für Journalistinnen, Wissenschafter und Bürger eine große Verbesserung bewirken.
Fristen und Veröffentlichungspflicht ambivalent
Ambivalent ist das Thema Fristen: Zwei Monate für die Verschriftlichung einer schon erfolgten Entscheidung – und nichts anderes ist die Frist für die Bescheiderstellung – ist aus Sicht von Bürger:innen wirklich nicht nachvollziehbar. Gegenüber dem absurden HALBEN JAHR wie aktuell ist es natürlich eine Verbesserung. Nicht weniger absurd ist, dass Behörden sich für eine Antwort weiterhin bis zu acht Wochen Zeit nehmen können. Aber zumindest nicht 16 Wochen, wie im SPÖ-ÖVP Entwurf im Jahr 2015 vorgesehen.
Zur proaktiven Veröffentlichungspflicht: Eine Pflicht ist nur so gut wie ihre Kontrolle und die Konsequenzen bei Nichtbeachtung. Weder Kontrolle noch Konsequenzen sind hier enthalten. Damit wird nicht nur verhindert, dass Bürger:innen unterlassene Veröffentlichungen von einem Gericht bewerten lassen – auch Verantwortungsträger, die solcher Kritik ausgesetzt sind, haben keine Chance von Gerichten Recht zu bekommen. Stellen, die wollen, werden Informationen veröffentlichen. Die, die nicht wollen, nicht. Wie schon jetzt.
Problem 1: Nachrang
Zum Nachrang in § 16: An dem SPÖ-ÖVP-Entwurf vor über sieben Jahren gab es eine große Schwachstelle: dass in anderen einfachen Gesetzen zusätzliche Ausnahmen geschaffen werden konnten. Das übertrifft der Vorschlag, den Sie nun mit Verfassungsmehrheit beschließen wollen: andere einfache Gesetze werden das mühsam ausverhandelte, mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene Informationsfreiheitsgesetz als Ganzes unanwendbar machen können. Eine in letzter Minute ohne Erklärung dazu gekommene Sollbruchstelle, die Behörden und Regierungen erlauben wird, Informationserteilungen um Jahre zu verzögern.
Machen wir es konkret. Ein Corona-Förderungs-Gesetz, das ermöglicht, Anfragen erstmal jahrelang nicht zu bearbeiten, vielleicht mit allgemeinen Geheimhaltungsgründen, exorbitanten Gebühren? Ein Vorarlberger-Bürgermeistergehalt-Geheimhaltungsgesetz, das die Offenlegung erst Jahre nach einer Amtszeit vorsieht? Solange die Gesetze „Informationszugangsregelungen“ enthalten wird das ganze Verfahren mit kurzen Fristen, Gebührenbefreiung etc unanwendbar. Bis ein Höchstgericht die Gesetze kippt, was trotzdem die Verfügbarkeit von relevanten Informationen um Jahre verzögert.
Problem 2: Rechtsschutz
Der Rechtsschutz bleibt gleich – obwohl Ihnen die Probleme bekannt sind: Etwa jahrelange Verfahren, die selbst nach Höchstgerichts-Entscheidungen nicht zur Informationserteilung führen. Und Richter:innen, die die angefragten Informationen nicht einsehen können. Verbesserungen dazu sind aus dem Entwurf nicht herauszulesen.
Um das zu betonen: das Gesetz sieht ausschließlich vor, dass der Verfahrensakt zum Gericht geht. Behörden nehmen die angefragten Informationen nicht in diesen Verfahrensakt auf. Es gibt keine Möglichkeit, eine Ergänzung dieses Akts zu erzwingen. Ein Richter hat – wenn es die Behörde nicht will – keine Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Andere Ländern haben eindeutige Regeln dazu.
Ein letzter Punkt: Im Wiener Koalitionsvertrag ist ein Informationsfreiheitsbeauftragter vorgesehen, wir sehen nicht, wie er mit diesem Gesetz umsetzbar wäre. Ermöglichen Sie die Schaffung von Informationsfreiheitsbeauftragten zumindest dort, wo es den politischen Willen dafür gibt.
Das Gesetz bringt Verbesserungen und stärkere Bürgerrechte, diese sollten nun auch beschlossen werden.
Es bleibt aber gegenüber internationalen Vorbildern in vielen Punkten besonders dort zurück, wo es darum geht, dass die Transparenz auch bei den Bürgern ankommt.
Die Sollbruchstellen sind teilweise erst im Entwurf von Oktober dazu gekommen, sie wären einfachst ausräumbar. Unsere Vorschläge dazu liegen Ihnen vor.
Österreich und die Bevölkerung verdienen ein fortschrittliches und mutiges Informationsfreiheitsgesetz – ja, dazu braucht es auch Mut durch den Gesetzgeber. Nur dadurch kann es zu dem nötigen tiefgreifenden Kulturwandel kommen, von dem Österreich nur profitieren kann.
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Link zur Aufzeichnung des Hearings im Verfassungsausschuss vom 15. Jänner 2024.