Geheime Ausgaben der Europa-Parlamentarier: Österreichische und europäische JournalistInnen klagen auf Herausgabe
Das Europäische Parlament verweigert Einsicht in die Abrechnungen der EU-ParlamentariererInnen. Zum ersten Mal überhaupt reichen jetzt JournalistInnen aus allen EU-Mitgliedsstaaten akkordiert Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof gegen das Europäische Parlament (EP) ein. Das EP verweigert ihnen Zugang zu Informationen von öffentlichem Interesse. Genauer, Einsicht in die Abrechnungen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
Die 751 Mitglieder des EP beziehen neben Gehalt und Taggeld unter anderem Zulagen für Büro, Sekretariat, Öffentlichkeitsarbeit, Studien, Rechtsberatung und Reisen. Im Jahr 2014 beliefen sich die Gesamtkosten für Gehalt, Taggeld und sämtliche Zulagen der EU-ParlamentarierInnen auf insgesamt 474 Millionen Euro. Das sind 27 Prozent des gesamten EP-Budgets. Allein die monatliche Bürokostenpauschale, eine Art allgemeine Kostenvergütung, beläuft sich auf 3,2 Millionen Euro, das sind knapp 38,4 Millionen Euro pro Jahr. Dieser Ausgabeposten wird derzeit nicht überprüft.
Im Mai und Juni 2015 beantragten 29 JournalistInnen aus allen EU-Mitgliedsländern daher Einsicht in die Abrechnungen der EU-ParlamentarierInnen auf Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001, die den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission regelt.
Alle Anträge wurden vom Europäischen Parlament abgelehnt, ebenso die Beschwerden dagegen, die von den JournalistInnen im August und September 2015 eingereicht worden waren. Das EP begründete seine Entscheidung mit dem Schutz persönlicher Daten und dem enormen Arbeitsaufwand, der dafür notwendig sei.
Nun wird gegen diese Entscheide des Europäischen Parlaments Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof eingelegt. Die JournalistInnen vertritt die Juristin Nataša Pirc Musar. Sie war von 2004 bis 2014 parlamentarische gewählte Kommissarin für Informationsfreiheit und Datenschutz in Slowenien. Die europaweite Initiative wird von der Journalistin Anuška Delič von der slowenischen Tageszeitung Delo koordiniert.
Aus Österreich beteiligt ist an dem Verfahren die ORF-Journalistin Tanja Malle, die sich auch beim Forum Informationsfreiheit engagiert.
- Stellungnahme der beteiligten JournalistInnen (auf Englisch).
Die an dem Verfahren beteiligten Journalisten sind:
Tanja Malle | Österreich | ORF |
Kristof Clerix | Belgien | MO* |
Atanas Tchobanov | Bulgarien | bivol.bg |
Matilda Bačelić | Kroatien | Lider |
Maria Psara | Zypern | Phileleftheros |
Pavla Holcová | Tschechien, Slowakei | Czech Center for Investigative Journalism |
Nils Mulvad | Dänemark | Investigative Reporting Denmark |
Peter Jeppesen | Dänemark | Ekstra Bladet |
Sanita Jemberga | Estland, Lettland, Littauen | Re:Baltica |
Gundega Tupina | Estland, Lettland, Littauen | Re:Baltica |
Minna Knus-Galán | Finnland | YLE |
Mark Lee Hunter | Frankreich | freelance/INSEAD |
Dirk Liedtke | Deutschland | Stern |
Nina Plonka | Deutschland | Stern |
Harry Karanikas | Griechenland | protagon.gr |
Balázs Tóth | Ungarn | atlatszo.hu |
Tamás Bodoky | Ungarn | atlatszo.hu |
Gavin Sheridan | Irland | thestory.ie |
Guia Baggi | Italien | IRPI |
Delphine Reuter | Luxembourg | freelancer |
Jacob Borg | Malta | The Malta Independent |
Hugo van der Parre | Niederlande | NOS |
Wojciech Ciesla | Polen | Newsweek Poland |
Rui Araujo | Portugal | TVI Portugal/ICIJ |
Crina Boroş | Rumänien, Vereinigtes Königreich | data journalist |
Anuška Delić | Slowenien | Delo |
Tina Kristan | Slowenien | Delo |
Marcos García Rey | Spanien | freelance |
Staffan Dahllöf | Schweden | freelance/Wobbing Europe |