Presseinformation – Gerichtsentscheidung: Journalisten müssen Zugang zu Dokumenten erhalten

Mathias Huter

Beschäftigt sich mit Transparenz, Open Data und Anti-Korruption, interessiert sich besonders für Parteienfinanzierung und Beschaffungen. Von 2009 bis 2014 für Transparency International Georgia in Tiflis tätig.

PRESSEINFORMATION

Forum Informationsfreiheit (FOI) gewinnt richtungsweisenden Prozess vor dem Verwaltungsgerichtshof:
– Stadt Wien muss Journalisten mehr als 1.000 Einsparungsvorschläge aushändigen
– Land NÖ muss die Landesregierungsbeschlüsse für die Förderung der „Dr. Erwin Pröll Privatstiftung“ offenlegen

WIEN – Das Forum Informationsfreiheit (FOI) hat in seinem Kampf um staatliche Transparenz in Österreich einen richtungsweisenden Sieg errungen – und damit die Weichen für neue Informationsrechte für Journalistinnen und Journalisten gegenüber Politik und Verwaltung gestellt.

Das FOI gewann in zwei weichenstellenden Verfahren: vor dem höchstgerichtlichen Verwaltungsgerichtshof gegen die Stadt Wien, und vor dem Landesverwaltungsgericht in St. Pölten gegen das Land Niederösterreich. In beiden Fällen wollte der Journalist und FOI-Vorstand Markus Hametner Zugang zu Dokumenten der Verwaltung, in beiden Fällen lehnten die Behörden das ab, in beiden Fällen klagte Hametner vor den Gerichten – und in beiden Fällen bekam er nun jeweils Recht.

Der Verwaltungsgerichtshof stärkt mit dieser höchstgerichtlichen Grundsatzentscheidung das Recht von Journalisten und NGOs auf Information, und verpflichtet die Behörden damit nicht nur zur Auskunft, sondern in entsprechenden Fällen sogar zur Herausgabe von Dokumenten.

„Watchdog-Funktion“: Neue Informationsrechte für Journalisten und NGOs

Daraus ergibt sich zum Teil auch eine neue rechtliche Situation für Journalisten und NGOs, die im Rahmen ihrer vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bereits bestätigten „Watchdog“-Rolle tätig sind.

  • Zugang zu Dokumenten ist geboten („Access to documents“)
    Im österreichischen Auskunftspflichtgesetz war bislang lediglich davon die Rede, dass „Auskünfte“ erteilt werden müssen. Die Verpflichtung, auch „Zugang zu Dokumenten“ zu gewähren – wie in Informationsfreiheitsgesetzen nach internationalen Standards üblich – fehlte dort bisher.
    Der Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis nun bestätigt, dass dies oft geboten ist. Damit können Behörden in Zukunft nicht mehr behaupten, die Übermittlung von Dokumentkopien wäre nicht rechtens.
  • Nur weil Dokumente „teilweise“ vertrauliche Daten enthalten,
    darf nicht die komplette Herausgabe verweigert werden („Partial Access“)
    Selbst wenn geheimzuhaltende Informationen in angefragten Dokumenten zu finden seien, darf eine Anfrage nicht pauschal abgelehnt werden, so der VwGH in seinem wegweisenden Urteil. Im Gegenteil: wenn die Mehrzahl der angefragten Informationen nicht von Verschwiegenheitspflichten berührt sind, muss dazu Auskunft erteilt werden.
  • Das Amtsgeheimnis wird entscheidend geschwächt – zumindest für Journalisten und NGOs („Interessensabwägung“)
    Der Verwaltungsgerichtshof verpflichtet Behörden zur Abwägung zwischen Geheimhaltungs- und Öffentlichkeitsinteresse, wobei im Zweifel das Öffentlichkeitsinteresse überwiegen muss. Eine etwaige Geheimhaltung muss sowohl „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ als auch „verhältnismäßig“ sein. Das Höchstgericht folgt damit dem Wortlaut von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
  • Behauptung, dass die Antwort zu viel Arbeit sei, ist kein Geheimhaltungsgrund
    Weiters hat der VwGH klargestellt: Auch behördeninterne Dokumente sind grundsätzlich von der Auskunftspflicht erfasst. Das oft verwendete Behörden-Argument „Ist zu viel Aufwand“ gilt nicht mehr als pauschaler Grund für Auskunftsverweigerung. Eine Behörde muss nun genau darlegen, welcher Aufwand ihr bei einer Beantwortung entstehen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof stärkt damit das Recht auf Informationszugang in Österreich.

Die Stadt Wien muss dem Urteil folgen und dem Journalisten und FOI-Mitbegründer Markus Hametner die Anfrage nach dem Wortlaut von Einsparungsvorschlägen und den zugehörigen Prüfungsergebnissen beantworten. Laut Medienberichten können durch die Umsetzung dieser Einsparungsvorschläge 100 Millionen Euro eingespart werden. Als Journalist wollte der Kläger die Umsetzung der Vorschläge überprüfen und publizistisch begleiten.

Landesverwaltungsgericht: Entscheidungen der NÖ Landesregierung offenzulegen

Einen weiteren Erfolg konnte das Forum Informationsfreiheit in Niederösterreich erzielen: Beschlüsse der Landesregierung können nicht einfach pauschal geheimgehalten werden, entschied das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich. Der Journalist Hametner hatte die Übermittlung der Tagesordnungen und Beschlüsse der Landesregierung beantragt, um den Beschluss der Landesförderungen an die Dr. Erwin Pröll Privatstiftung nachzuvollziehen, deren Millionen-Subvention österreichweit Thema war. Das Amt der NÖ Landesregierung verweigerte das in einem entsprechenden Bescheid, Hametner berief dagegen. Der Richter hob den Bescheid des Landes auf und entschied für den Journalisten und das Forum Informationsfreiheit.

(Nachtrag: Zur entscheidenden Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht kam nicht einmal mehr jemand seitens des Landes Niederösterreich. Stattdessen übermittelte das Land mittlerweile per Post ein dickes Paket mit Ausdrucken der entsprechenden Beschlüsse.)

Rückfragehinweis
Forum Informationsfreiheit (FOI)
Generalsekretär Mathias Huter
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