Was wir im Kanzleramt beim Runden Tisch und beim Verfassungsdienst eingebracht haben

Forum Informationsfreiheit

Im Juni hatten wir zwei Termine im Kanzleramt: einen Runden Tisch mit der Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler und ein Gespräch auf Fachebene mit Vertretern des Verfassungsdiensts, der für die Erstellung eines Entwurfs für ein Informationsfreiheitsgesetz (und die nötige Verfassungsbestimmung) zuständig ist.

Am 4. Juni wurden wir – zwei Tage vor dem Termin – zu einem Runden Tisch bei Kanzleramtsministerin Edtstadler geladen. Kernpunkte, die wir erwähnen konnten, waren in Kürze:

 

    • Öffentliches Hearing mit den Autoren im Parlament
      Es hat sich bei komplexer Materie bewährt, die Autoren des Gesetzes sowie Experten  auch direkt zu den konkreten Auswirkungen des Gesetzes befragen zu können. So erteilte auch beim letzten Mal ein Beamter, der öffentlich lobte, dass das neue Gesetz mehr Transparenz bringen würde die Auskunft, dass grundlegende Vergabedaten weiterhin geheim gehalten werden würden
    • Internationale Standards & Expertise
      – Österreich ist das letzte Land ohne IFG in der EU. Heißt: von allen anderen kann man lernen. Internationale Experten wären einzuladen, etwa aus Deutschland und Slowenien
      – Die Frage wurde gestellt, ob Österreich die Mindeststandards der Europaratskonvention zum Zugang zu öffentlichen Dokumenten, die im Herbst in Kraft tritt, umsetzen wird. 
    • Ein ordentliches Begutachtungsverfahren sollte in solchen Fällen eine Selbstverständlichkeit sein und wurde von uns auch so gefordert
    • Durchsetzbares Recht – heißt: Kompetenz- und Schiedsstelle
      Fall Wien: was passiert, wenn die Behörde die Informationen nicht einmal dem Verwaltungsrichter vorlegt? Missbrauchsparagraph für Behörden & IFG-Beauftragter wäre nötig, wenn man es ernst meint.
    • Kurze Fristen
      Auch in den letzten Krisen gab es ein riesiges Informationsdefizit. Behörden lassen sich gerne Zeit mit Antworten, sobald man sich auf ein Gesetz bezieht. Heißt: die Erstantwortsfrist muss wie internationale Vorbilder vorleben kurz sein, in begründeten Einzelfällen muss nachvollziehbar dargelegt werden, dass es länger dauern wird.
    • Harm Test & Public Interest Test
      Ausnahmen vom Recht auf Information müssen eng ausgelegt werden. Die Behörden müssen im Einzelfall argumentieren, warum die Geheimhaltungstatbestände im öffentlichen Interesse überwiegen – und nachvollziehbar darlegen, welche Interessen durch eine Offenlegung gefährdet wären.
    • Was heißt gebührenfrei?
      Nicht nur Anfragen, auch Eingaben und Bescheide müssen kostenlos sein. 
    • Maschinenlesbarkeit der Informationen
      und teilweise auch automatische Veröffentlichungspflichten
    • Policy Group
      der Vorschlag, weitere Gespräche auch auf der Fachebene führen zu können, da das auch unter Drozda so gehandhabt wurde

Detailfragen dazu, ob der Informationsbegriff auf breit genug definiert ist und welche Dokumente einer aktiven Veröffentlichungspflicht unterliegen werden, und ob alle relevanten staatlichen Stellen dem IFG unterliegen, können wir erst beurteilen, wenn wir einen ersten Entwurf vorliegen haben.

Auch in Mediengesprächen haben wir die Wichtigkeit betont, dass es eine breite Einbindung der Zivilgesellschaft während des gesamten Gesetzgebungsprozesses braucht (siehe z.B. APA-Meldung auf ORF.at: https://orf.at/stories/3168279/). 

Antworten, ob und wie unsere Forderungen aufgenommen werden, wurden am runden Tisch nicht abgegeben. Der Verfassungsdienst hat jetzt den Auftrag, einen Entwurf auszuarbeiten, dieser soll bis Ende Juli vorliegen und dann in Begutachtung gehen. 

Anwesend waren neben der Kanzleramtsministerin und ihrem Kabinettschef sowie dem Leiter des Verfassungsdienstes auch der Presseclub Concordia, Transparency International Austria, VÖZ, der Chef der Beamtengewerkschaft, der Präsident des VwGH, die Vizepräsidentin des VwGH, eine Vertreterin des Rechnungshofs, die Industriellenvereinigung, das Land OÖ (als Vertreter der Landeshauptleutekonferenz), Städtebund, Gemeindebund und der Datenschutzrat.

 

Beim Gespräch mit Vertretern des Verfassungsdienstes am 30. Juni konnten wir viel weiter ins Detail gehen.

Mit dem Leiter des Verfassungsdiensts Albert Posch, der für den Entwurf zuständigen Mitarbeiterin und einer Mitarbeiterin aus dem Ministerkabinetts diskutierten wir einige Details, die wir für die geplante gesetzliche Umsetzung für wichtig halten.

Wir wurden gebeten, unser Feedback auf im Rahmen des Koalitionsvertrags umsetzbare Punkte zu beschränken, da die Beamten den Auftrag erhalten hatten, die Bestimmungen des Koalitionsvertrags in ein Gesetz zu gießen – Diskussionen zum Informationsfreiheitsbeauftragten oder zur Länge von Fristen waren also explizit nicht Thema, da diese auf politischer Ebene zu klären sind. Einige der Punkte, die wir diskutiert haben, waren folgende:

  • Eine gesetzliche Regelung zur Durchführung und Dokumentation der Interessensabwägung in Form eines Public Interest Test und Harm Test. Diese soll im Gesetz festgeschrieben werden, damit Gerichte eine Basis für die Überprüfung der Entscheidung von Behörden haben.
  • Unsere bisherigen Erfolge vor Gericht. Unserer Meinung nach sollten alle bisher erzwungenen Auskünfte auch unter einem neuen Gesetz weiterhin zu erteilen sein.
  • Erfahrungen mit den Behörden und Gerichten, beispielsweise mit der ungerechtfertigten Verrechnung von Gebühren oder Nichteinhaltung von Fristen.
  • Fehlende Fristen für die Übermittlung von Beschwerden an die Gerichte, wodurch Verfahren verzögert werden können.
  • Die augenscheinlich fehlende Ermächtigung von Gerichten, Akten anzufordern.
  • Möglichkeiten von Befugnissen und Berichtspflichten für die im Regierungsprogramm vorgesehen Servicestelle für Informationsfreiheit.
  • Die von der Ministerin vorgesehene Mutwilligkeitsschranke und unserere Erfahrungen mit der aktuellen Gesetzeslage dazu – hier brachten wir ein, dass es natürlich auch Konsequenzen zur Mutwilligkeit von Behörden geben müsse.
  • Mögliche Belehrungspflichten (in Form von Empfangsbestätigungen mit Hinweisen auf die Rechtslage und die gültigen Fristen) für Behörden

Positiv war für uns die ausgezeichnete Vorbereitung unserer Gesprächspartner. Sie brachten konkrete Fragen ins Gespräch ein. Ein lang nach Abschluss des letzten Begutachtungsverfahrens zum SPÖ-ÖVP-Entwurf erschienenes Paper von Wiederin war den Legisten nicht nur ein Begriff, sie hatten auch vor, die darin aufgeworfenen Probleme im neuen Entwurf zu umschiffen.