Informationsfreiheitsgesetz: Wie Länder und Gemeinden Transparenz untergraben wollen
Kurz vor Weihnachten saß Werner Kogler, Vizekanzler und Parteichef der Grünen, in der ZIB 2 und erklärte, die Regierung sei sich über das geplante Informationsfreiheitsgesetz eigentlich einig. Es hake aber bei den Ländern und Gemeinden. Man müsse schauen, ob man einen Kompromiss erreiche oder auf die Tube drücken müsse, so Kogler.
Als Antwort ständig neue Chats und Affären, die auf systematischem Abtausch von Posten, Amts- und Machtmissbrauch hindeuten, könnte die Regierung endlich für echte Transparenz zu sorgen und ein internationalen Standards entsprechendes Informationsfreiheitsgesetz (IFG) auf Schiene bringen. Doch es gibt seit einem Jahr keinen erkennbaren Fortschritt.
(4/8) Die Regierungsparteien haben sich jedenfalls schon vor längerer Zeit vorgenommen, ein Transparenz- & Antikorruptionspaket zu beschließen – etwa das Ende des Amtsgeheimnisses. Es gibt da einen fix fertigen Gesetzes-Vorschlag, der auch schon in Begutachtung war
— Werner Kogler (@WKogler) February 2, 2022
Die Begutachtung zum Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz endete im April 2021. Privatpersonen wie auch Institutionen waren aufgefordert, ihre Meinung zum vorliegenden Gesetzestext zu übermitteln. Das haben auch wir getan. Einige der eingereichten Stellungnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden stehen allerdings nicht im Zeichen der Transparenz. Wieso, zeigen wir an einem konkreten Beispiel: Ein:e Bürger:in fragt um Informationen.
Stellen Sie sich folgendes vor: Sie wohnen in einer Gemeinde in Österreich, haben im Freundeskreis etwas gehört oder in der Zeitung gelesen und fragen sich, stimmt das? Der Antrag auf Information, den Sie daraufhin stellen, benötigt einiges. Es reicht jedenfalls nicht, dass Sie Bürger:in sind. Geht es nach dem Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium soll für jede Anfrage ein „Nachweis der Identität des Antragstellers“ erforderlich sein – anonyme Anfragen wären damit unmöglich. Und direkt nach Informationen zu fragen, erscheint auch schwierig. Wien kritisiert am IFG: „Dem Entwurf fehlt, dass Anträge auf Erteilung von Information zu begründen sind.“ Dem stimmen auch das Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Bildungsministerium zu.
Laut dem Österreichischen Städtebund sollen Behörden bei Anfragen die Antragsteller:innen nicht nur auffordern können, ihr Auskunftsinteresse zu begründen, sondern „auf Verlangen glaubhaft zu machen“. Was als „glaubhaft“ definiert wird und ab wann eine Anfrage glaubhaft genug ist, bleibt offen. Ginge es nach dem Städtebund wäre das Recht auf Information sogar auf den jeweiligen Hauptwohnsitz begrenzt. Sie sind nicht in der Gemeinde gemeldet, welche die Informationen hat, die Sie interessieren? Oder haben vielleicht nur einen Nebenwohnsitz? Schlecht für Sie: „Das Informationsrecht ist zwingend auf das Vorliegen des Hauptwohnsitzes in der Gemeinde zu reduzieren. Zudem ist schwer vorstellbar, dass die BürgerInnen anderer Gemeinden ein sachliches Interesse an Informationen einer anderen Gemeinde haben.“
Eine Einschränkung des Fragerechts auf Österreicher oder Leute, die in der Gemeinde den Hauptwohnsitz haben, wäre nicht nur international absolut unüblich – üblich ist ein „Jedermannsrecht“, eine Diskriminierung zwischen Österreichern und EU-Bürgern wäre wohl auch verboten. Es wäre auch eine Verschlechterung gegenüber der aktuellen, auch schon völlig inakzeptablen Gesetzeslage. Das Auskunftspflichtgesetz ist als Jedermannsrecht ausgestaltet. Wenn Anfragende ein berechtigtes Interesse an einer gesuchten Information Anfrage vorweisen zu müssen würde die Idee der Informationsfreiheit völlig untergraben. International ist es gute Praxis, auch anonyme Anfragen oder Anfragen ohne Identitätsnachweis zuzulassen, wie wir sie etwa über FragDenStaat.at ermöglichen (falls ein Bescheid beantragt wird, muss die Identität offen gelegt werden).
Wie eine Anfrage gestellt werden kann
Laut dem Gesetzesentwurf sollen Anfragen auch telefonisch oder mündlich erfolgen können, das ist auch derzeit schon auf Basis des Auskunftspflichtgesetzes möglich. Das Gesundheitsministerium fürchtet allerdings, dass die „Realisierung des Gesetzesvorhabens zu einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Anfragen bzw. Informationsbegehren an die öffentliche Verwaltung führen wird, die umso höher ausfallen könnten, je niederschwelliger diese eingebracht werden können.“ Wien verlangt daher auch, „dass die Behörde jederzeit die Möglichkeit hat, eine schriftliche Fixierung des Informationsbegehrens verlangen zu können“ und hält gleich fest: „Für die Praxis wäre es zudem ohnehin besser, wenn auf die telefonische Möglichkeit des Anbringens in dieser Materie verzichtet wird.“
Sie stellen also eine schriftliche Anfrage. Wer aber noch nie oder nur selten einen Antrag auf Information gestellt hat, macht dabei vielleicht einen Fehler.
Eine Einschränkung auf schriftliche Anfragen würde außerdem bedeuten, dass alle mündlichen Anfragen vollkommen im rechtsfreien Raum stattfinden.
Wie schnell geantwortet werden muss
Es kann dauern, bis Sie eine Antwort auf Ihre Anfrage erhalten, unabhängig davon, ob Ihnen die Information mitgeteilt oder verwehrt wird. Aktuell (nach dem Auskunftspflichtgesetz von 1987 – aus einer Zeit vor der elektronischen Datenberarbeitung) haben Behörden acht Wochen Zeit, um auf Anfragen zu reagieren.
Der geplante Gesetzesentwurf schlägt vor, diese Frist auf vier Wochen zu reduzieren, wobei eine Verlängerung um weitere vier Wochen möglich ist. Vonseiten der Länder, Gemeinden und Bundesministerien ist diese Änderung nicht gewollt. „Sollte auf Grund eines mangelhaften Informationsbegehrens ein Verbesserungsauftrag erteilt werden, so sollte die Frist (…) erst mit Behebung des Mangels zu laufen beginnen“, schreibt das Bundesministerium für Kunst, Kultur und Sport. Falls die Behörde beschließt, die Anfrage an eine andere zuständige Stelle weiterzuleiten, solle die Frist „erst ab dem Zeitpunkt des Einlangens des Informationsbegehrens bei der zuständigen Stelle zu laufen beginn[en]“, heißt es aus Wien. In Salzburg schlägt man sogar vor, dass Behörden überhaupt nicht mehr begründen, wieso eine Frist verlängert wird.
Eine Antwortfrist von vier Wochen wäre unambitioniert. Andere Länder schaffen Auskunftsfristen von ein bis zwei Wochen, selbst die EU-Bürokratie schafft drei Wochen. Üblicherweise können solche Fristen bei Bedarf, also bei komplexen Anfragen, verlängert werden. Wenn eine Frist erst beim Eintreffen bei der zuständigen Stelle beginnt, würde das Behörden dazu ermutigen, Anfragesteller im Kreis herum zu schicken – und wie würden die Anfragesteller erfahren, dass die Frist endlich begonnen hat, wenn Behörden aktuell nicht einmal Bitten nachkommen, den Empfang von Anfragen zu bestätigen?
Zwar sind Behörden auch derzeit schon angehalten, so schnell wie möglich auf eine Anfrage zu antworten. In der Praxis lassen sich staatliche Stellen damit jedoch oft bis zum Ende der Frist Zeit.
Mutmaßlich mutwillige Anfragen
Anfragen, die „mutwillig“ oder „mutmaßlich“ gestellt worden sind, sollen schlicht abgelehnt oder sogar mit Strafen sanktioniert werden. Auch hier ist der Interpretationsrahmen, was als mutwillig oder missbräuchlich eingestuft werden kann, groß. Das sieht man in Niederösterreich ähnlich, weshalb eine „Konkretisierung, um zwischen missbräuchlichem und nicht- missbräuchlichem Informationsbegehren unterscheiden zu können“ gefordert wird. Ansonsten ist man sich allerdings einig: „Der Informationszugang sollte auch dann nicht erteilt werden, wenn er offenbar ‘mutwillig’ beantragt wird und keinem tatsächlichen Informationsbedürfnis entspringt“ (BM für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort).
Wie bereits das „glaubhafte Auskunftsinteresse“ scheint auch die Definition von Missbrauch ergebnisoffen gestaltet zu sein. Kärnten würde gerne Anfragen als missbräuchlich definieren wenn „der Informationszugang umfangreiche Ausarbeitungen erfordern würde.“
Mutwillensstrafen existieren jetzt schon und werden bevorzugt zur Einschüchterung verwendet. Uns wurde schon mehrfach „Mutwilligkeit“ vorgeworfen, Gerichte haben das immer verworfen. Die Mutwilligkeitsstrafen sollten nicht auf Auskunftsbegehren anwendbar werden.
Gebühren für Anfragen
Nicht nur vermeintlich missbräuchliche Anfragen sollen etwas kosten. Der IFG-Entwurf sieht explizit vor, dass Anfragenden keine Gebühren entstehen sollen. Das ist mehreren Stellen aber zu bürgerfreundlich: „Gebühren [hätten] auch eine gewisse Wirkung als Schranke gegen mutwillige Informationsbegehren“ (Österreichischer Städtebund) und „Es ist daher nicht nur angemessen, sondern schlicht auch aus diesen Gründen [zur Verhinderung missbräuchlicher Anfragen] notwendig, für den entstehenden Aufwand eine angemessene Gebühr verlangen zu können.“ (Österreichischer Gemeindebund). „Zusätzlich muss in derartigen Fällen auch die Verhängung von empfindlichen Ordnungsstrafen oder Verwaltungsstrafen rechtlich möglich sein und somit gesetzlich vorgesehen werden“, schreibt man in Wien. „Ein Zugang zu Informationen bedeutet noch nicht, dass dieser kostenlos erfolgen muss“, schreibt man in der Steiermark. Der Städtebund ist klarer: „Sowohl die Anträge, als auch Bescheide sollen zwingend einer Gebührenpflicht unterliegen. Es ist mit nichts zu rechtfertigen, dass der Steuerzahler hierfür aufkommen muss.“
Laut Städtebund sollen zum Beispiel der Antrag, ein Bescheid (der benötigt wird, um z.B. Informationsverweigerungen juristisch anzufechten) als auch der „Zeitaufwand bei umfangreicherem Verwaltungsaufwand, Ersatz von Barauslagen wie Einholung von Expertenmeinungen, etc.“ den Antragsteller:innen etwas kosten.
Nochmal, weil es so wichtig ist: Gebühren werden beispielsweise in der Schweiz gerade abgeschafft und sind im IFG-Entwurf explizit nicht vorgesehen, was wir begrüßen. Derzeit werden BürgerInnen in den meisten Fällen für Auskunftsbegehren keine Gebühren verrechnet, einige Städte und Gemeinden, insbesondere in Niederösterreich, verrechnen jedoch Bundesgebühren und Verwaltungsabgaben für Anfragen, was einen großen Verwaltungsaufwand mit sich bringt. Städtebund und Gemeindebund fordern auch hier eine Verschlechterung gegenüber dem Status Quo.
Was all diese Einschränkungen und Erschwernisse Sie, die Antragsteller:in, vor allem kosten würde, ist ein umfassendes Recht auf Information.
Informationsfreiheitsbeauftragte:r
Ein:e Informationsbeauftragte:r, die sowohl die Bürger:innen als auch die Behörden in diesem Prozess begleiten und beraten könnte, ist in dem Gesetzesentwurf übrigens nicht vorgesehen. Zwar fordern der Städte- und Gemeindebund, dass eine “Stelle auf Bundesebene”, die Gemeinden unterstützt und bei Abwägungsschwierigkeiten helfe, aber “zusätzliche bürokratische Strukturen wie etwa ein „Informationsbeauftragter“ werden abgelehnt. Nur Wien schreibt, es solle „als Beratungsinstanz eine unabhängige und weisungsfreie mit den Agenden der Informationsfreiheit beauftragte Person gesetzlich vorgesehen werden. Internationale Beispiele im Bereich der Informationsfreiheit zeigen, dass eine entsprechende unabhängige Einrichtung oftmals vorgesehen ist.“
Die analysierten Stellungnahmen
Länder: Niederösterreich, Steiermark, Wien, Verbindungsstelle der Bundesländer, Tirol, Vorarlberg, Burgenland, Salzburg, Kärnten. Ministerien für Justiz, Öffentlicher Dienst und Sport, Landesverteidigung, Landwirtschaft, Wirtschaft, Bildung, Äußeres, Gesundheit, Arbeit. Städtebund, Gemeindebund.