Amtsgeheimnis-Award Mauer des Schweigens 2024 an Rankweil, Land Vorarlberg, Stadt Wien; Goldener Informationsfilter an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka

Wien, 28 September 2024 – Anlässlich des 22. internationalen Tags der Informationsfreiheit – dem Right to Know-Day – hat das Forum Informationsfreiheit den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“ vergeben.

Die Gemeinde Rankweil erhält den ersten Preis für die Geheimhaltung einer gemeindefinanzierten Studie, aus der nur selektiv Ergebnisse kommuniziert wurden. Das Land Vorarlberg erhält den zweiten Preis für die Geheimhaltung der Standorte von Wahlplakaten. Der dritte Preis geht an die Stadt Wien für die Geheimhaltung der Höhen von nicht indexierten Mieten in Parteilokalen.

Den goldenen Informationsfilter erhalten Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und sein Pressesprecher für die Nicht-Begründung der Absage eines schon zugesagten Interviews, die ein eigenwilliges Verständnis seiner Rolle als Staatsdiener transportiert.

Mit dem Negativ-Preis „Mauer des Schweigens“ weist die Bürgerrechts-Organisation jährlich auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern hin. Nominiert werden konnten alle Fälle, bei denen österreichische Behörden Auskünfte verweigert haben, Informationen von Politik oder Verwaltung zurückgehalten wurden, oder öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen durch politische Bemühungen erschwert oder verhindert wurde.

Erster Preis: Die Gemeinde Rankweil
„für die Geheimhaltung einer gemeindefinanzierten Studie zum Bau eines Supermarkts und in ihr angesprochenen Alternativvorschläge.“

Wenn eine Gemeinde eine Studie in Auftrag gibt, kommen unterschiedliche Lesarten vor. In diesem Fall verkündete die Bürgermeisterin, die Studie würde Pläne einer Supermarkt-Ansiedlung befürworten, ein grüner Gemeindevertreter las darin hauptsächlich kritische Töne. Eine vermeintlich einfache Lösung: die Studie der Bevölkerung und berichterstattenden Journalist:innen zur Verfügung zu stellen, wie es eine Verfassungsbestimmung seit 2022 vorsieht. So könnte sich jede:r eine eigene Meinung bilden, Expert:innen ihre Eindrücke schildern und es entsteht idealerweise ein Konsens. Das war laut Ansicht der Gemeinde in diesem Fall nicht möglich: die von der Gemeinde bezahlte Studie könne nicht weitergegeben werden – wegen „gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten“.

Ein Journalist des ORF Vorarlberg nahm die Verweigerung der Information nicht hin, bekam vom Landesverwaltungsgericht Recht, konnte die Studie einsehen, und musste berichten: die Studie enthält einen Alternativvorschlag, der nicht den Plänen der Bürgermeisterin entsprach – und der deswegen auch nicht von der Gemeinde kommuniziert wurde. Der Journalist sieht eine „selektive Wiedergabe“ und das ursprüngliche Konzept „nach eingehender Untersuchung abgelehnt“ – und wir sehen einen weiteren guten Grund, warum Informationsfreiheit der politischen Kultur gut tun würde.

Zweiter Preis: Das Land Vorarlberg
„für die Geheimhaltung der Standorte von Wahlplakaten.“

Wahlplakate existieren für maximale Aufmerksamkeit: Sie stehen neben Straßen, auf Feldern oder hängen in Bushaltestellen. Geht es nach dem Land Vorarlberg, sind Wahlplakate aber nichts, was die Öffentlichkeit zu interessieren hat. Anders ist kaum zu erklären, weshalb das Land die Auskunft verweigerte, als ein Journalist die Standorte aller Wahlplakate in Vorarlberg anfragte.

In Vorarlberg darf bei Landtagswahlen jede Partei höchstens 300 Plakate aufstellen. Die Zahl der Großplakate ist zusätzlich auf 50 Stück reglementiert und die Standorte müssen an das Land gemeldet werden. Ein oder eine Journalist:in könnte mit dieser Auskunft etwa überprüfen, ob sich die Parteien an die Regeln halten. Oder analysieren, wo sie aufgestellt wurden, und der Bevölkerung wichtige Einblicke in den Wahlkampf der Partei geben.

Doch all das geht nur, wenn das Land diese Informationen auch hergibt, immerhin hat es das Informationsmonopol. Die Landesregierung argumentiert aber lieber mit einem besonderen Fall des Datenschutzes. Immerhin könne man über die Plakate Rückschlüsse auf die politische Einstellung der Grundbesitzer ziehen, die Plakate einer Partei auf ihren Grundstücken erlauben. Damit blockiert die Vorarlberger Landesregierung die Berichterstattung vor der Wahl, die Auskunft muss erst vor Gericht erkämpft werden. Lange, nachdem bei der Wahl Fakten geschaffen wurden. Dafür gibts eine Mauer.

Dritter Preis: Die Stadt Wien
„für die Geheimhhaltung der Mieteinnahmen aus Parteilokalen im Gemeindebau.“

Der Wiener Stadtrechnungshof beklagte vor einiger Zeit, dass „Wiener Wohnen“, ein Unternehmen der Stadt, 14 Parteilokale ohne Indexierung vermietet. Heißt: Mieten steigen nicht, teilweise schon seit langer Zeit. Journalisten des „Profil“ wollten wissen, welche Parteien davon profitieren und wie hoch die Mieten sind. Nach einer formelle Auskunftsverweigerung der Stadt erzielten die Journalisten einen Erfolg vor Gericht, stehen aber nach 14 Monaten wieder fast am Anfang: Die Stadt verweigert die Auskunft zu großen Teilen erneut. Sie führt rechtliche Argumente an, die laut Profil-Bericht „teilweise direkt auf Kollisionskurs mit dem rechtskräftigen Urteil“ gehen. Sie gibt auch an, die Mietverträge nicht zu finden, sie seien ja sehr alt. Und legt deswegen nicht nur die Verträge nicht vor, sondern gibt auch keine Auskunft darüber, wie hoch die Mietzahlungen nun sind. Wir empfehlen einen Blick auf das Konto. Oder in die Buchhaltung.

Goldener Informationsfilter: Wolfgang Sobotka & sein Pressesprecher Rouven Ertlschweiger
„für eine eigenwillige Interpretation der Rolle als Staatsdiener“

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka wird mit 24. Oktober aus dem Parlament und seinen öffentlichkeitswirksamsten Rollen ausscheiden. Er wird sich künftig um die politische Akademie der Volkspartei kümmern. Zum Abschluss seiner (aktiven) politischen Laufbahn hat er noch einmal mit einem besonderen Amtsverständnis aufhorchen lassen: Die Investigativplattform „Dossier“ hat ihm eine ganze Ausgabe ihres Magazins gewidmet, mit Wegbegleitern gesprochen, seine Karriere nachgezeichnet und die Macht der niederösterreichischen Volkspartei beleuchtet.

Das einzige, was das Heft von Dossier nicht hat, ist eine Wortspende von Wolfgang Sobotka. Es gibt weder ein Interview, noch wurden Fragen und Bitten um eine Stellungnahme beantwortet. Dabei habe er einem Interview sogar zugestimmt, schreibt Dossier auf der ersten Seite. 

Die Erklärung, weshalb Sobotkas Wort nicht hielt, liefert sein Pressesprecher Rouven Ertlschweiger: „Das ist der zweithöchste Mann im Staat. Der muss Ihnen kein Grund nennen.“ Es ist ein Selbstbild, das nicht ganz mit der Aufgabe eines Politikers übereinstimmt. Politiker:innen sind Diener:innen des Volkes, ihre Vertretung in der Regierung und Gesetzgebung. Es gehört zum Job, von Medien kontrolliert zu werden, Anfragen zu beantworten und sich Interviews zu stellen (vor allem, wenn man sie zusagt). Das Amt, das jemand bekleidet, schützt davor nicht, sondern verlangt es. Vor allem, wenn es um den zweithöchsten Mann im Staat geht.

Nicht verschwiegen werden sollte, dass Sobotka in einer anderen Situation schon vorbildlich mit der kritischen Kontrolle umging: stand er doch als erster Politiker an der unabhängigen, von Journalist:innen organisierten Pressekonferenz „Offen Gefragt“ Rede und Antwort. Seine unbegründete Absage bei direkten kritischen Fragen untergräbt dieses positive Signal.

Weitere Nominierte

Steve Mayr, der Bürgermeister von Fraxern, war knapp dran, „Mauer des Schweigens“-Geschichte zu schreiben und für den gleichen Fall gleich zwei Mal einen Preis zu bekommen. Er erhielt vergangenes Jahr stellvertretend für weitere Bürgermeister die „Mauer des Schweigens 2023“, zweiter Platz „für das Geheimhalten der Verwendung von Steuergeld: ihrer von der Gemeinde festgelegten Gehälter“. Nach einem Gerichtsverfahren, in dem die Auskunftsverweigerung für rechtswidrig erklärt wurde erklärte er, dass er sich zu dem Fall nicht mehr äußern werde – obwohl er als Bürgermeister für die Auskunftserteilung zuständig wäre. Nach einem Bericht und Protesten von Journalist:innen und Politikern wurde schlussendlich von der Gemeinde Auskunft erteilt.

Die Stadt Wien veröffentlicht keine Pegelstände des Wienflusses, der vor zwei Wochen ein „tausendjähriges“ Hochwasser durchmachte Existieren sie denn nicht? Doch, es wird gemessen, aber nicht veröffentlicht. Der Leiter der Abteilung Wiener Gewässer argumentiert gegenüber dem ORF: eine Veröffentlichung sei nicht zielführend, sie könnte Panik auslösen. Sein Argument: durch die Nicht-Veröffentlichung konnte „zielgerichtet evakuiert“ werden. Nur: Auch in anderen Bundesländern werden die Pegelstände ja nicht ohne Kontext, sondern mit der Erfahrung und Vergleichswerten von vergangenen Jahren dargestellt. Und wenn die Modelle so gut sind, könnten sie zusätzlich dargestellt werden und so Panik vorbeugen.

Der Forschungsrat schaffte das Kunststück, trotz Veröffentlichung einer Studie, in der Geheimniskrämerei beklagt wurde, intransparent zu agieren: indem auf Nachfrage die Kosten für diese Studie nicht genannt wurden.

Die Bildungsdirektion Vorarlberg und das Land Vorarlberg halten zwei Listen von sogenannten „Brennpunktschulen“, offiziell Schulen mit großen oder besonderen Herausforderungen, geheim – selbst vor den Volksvertreter:innen im Landtag. Eine Liste von 24 Schulen aus dem Jahr 2019 kenne das Land nicht, auch die Bildungsdirektion gab laut ORF-Bericht fünf Jahre später an, nicht zu wissen, welche Schulen damals dazu gehört haben.

22 Jahre Right to Know Day

Seit 22 Jahren macht die Zivilgesellschaft am 28. September, dem „Right to Know“-Day, international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam. Der Tag wird mittlerweile auch von den UNESCO als „International Day for Universal Access to Information“ zelebriert.

Das Forum Informationsfreiheit setzt sich für ein Bürger:innen-Recht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für Transparenz in Politik und Verwaltung ein und vergibt jährlich die „Mauer des Schweigens“. Viele der nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at. Wir freuen uns über finanzielle Unterstützung unserer Arbeit über FragDenStaat.at/spenden.