Wie denn jetzt?

Wer in den letzten Wochen und Monaten das Geschehen um ein österreichisches Transparenzgesetz verfolgt hat, ist mit der Schwierigkeit konfrontiert, dabei den Überblick zu behalten. Deswegen: Eine kleine politische Timeline.

Freitag, 3. Mai 2013: Umweltminister Berlakovich weigert sich, nähere Auskünfte über den Einsatz von Pestiziden zu geben und beruft sich dabei auf das unleidige und uns allzu wohl bekannte Amtsgeheimnis. Er mimt damit den „Schwarzen Peter“ und initiiert dadurch neuerlich Diskussionen über das Informationsfreiheitsgesetz, das Mitte Februar angeblich sämtliche offene Türen der Regierung eingerannt hat.

Angeblich – denn seitdem ist es darum ruhig geworden. Die Diskussion, die Berlakovich damit neuerlich ins Rollen gebracht hat, wirft jedoch mehr Fragen auf als sie beantwortet. Hierzu ein kurzer Leitfaden durch das rot-schwarze Labyrinth gegenseitiger Schuldzuweisung.

SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer argumentiert, er könne in Berlakovichs Vorgehen keine „stichhaltige Begründung“ erkennen. Die Berufung auf Amtsverschwiegenheit und damit die Weigerung, erfragte Informationen öffentlich zu machen, sei „nicht zeitgemäß“. Für sinnvoll erachtet er hingegen eine „Umkehr des Prinzips – Recht auf Information statt Recht auf Verschwiegenheit“.

Diese Botschaft hören wir seit Anfang März.

In der Woche von 11.-17. März hätten sich „SPÖ und ÖVP nunmehr darauf geeinigt, eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit Vertretern beider Koalitionsparteien einzusetzen“, bestehend aus unter anderem Staatssekretär Ostermayer, Beamtenministerin Heinisch-Hosek und anderen (wie der „Presse“ berichtet wurde).

Bis Ende April hätte man dem Artikel zufolge „regierungsintern die Neuerungen klären“ wollen.

Daher mutet es merkwürdig an, wenn Ostermayer am 3. Mai auf die Frage, ob sich genanntes Gesetz in der aktuellen Legislaturperiode noch durchbringen ließe, erneut die Notwendigkeit einer detaillierten Prüfung „in einzelnen Arbeitsgruppen“ betont. Zugleich hebt er hervor, dass er sich zwar für einen schnelleren Weg ausgesprochen habe, dies jedoch aufgrund der Querlegung seitens der ÖVP nicht möglich gewesen wäre. (Soweit klingt das abgeschlossen – folglich Vergangenheit). Für eine fristgerechte Umsetzung, von deren Realisierung Ostermayer noch überzeugt war, wäre es bereits zu spät, da die ÖVP auf eine parlamentarische Enquete bestehen würde.

„Stimmt nicht, heißt es aus der ÖVP. Die Enquete sei vor Monaten ein Thema gewesen, dafür sei nun keine Zeit mehr“, schreibt der „Standard“ am 3. Mai (14:36 Uhr).

Schnitt: In selbigem Artikel beteuern beide Parteien (Gegenwart!), das „neue Gesetz noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg bringen zu wollen.“

Haben Sie noch den Überblick behalten? Nicht leicht, nicht wahr?

In der Liste jener Gesetze, die noch vor der Wahl beschlossen werden sollen, sei das Informationsfreiheitsgesetz bisher nicht gemeldet worden.

P.S. Wo immer diese Liste aushängt oder einsehbar ist, wäre ohnehin wieder eine andere Frage…

Die Autorinnen, Catharina Felke und Sara Hassan, studieren an der Universität Wien Politikwissenschaft und Kunstgeschichte bzw. Psychologie und Komparatistik und sind im Team von Transparenzgesetz.at.

Amtsgeheimnis: Fiedler-Kritik an Regierungsentwurf

+++ Pressemeldung +++

Analyse des Ex-Rechnungshofpräsidenten für Transparenzgesetz.at:
“Mehr Schlupflöcher für Politik und Verwaltung als Rechte für Bürger”

Der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler unterstützt die Initiative Transparenzgesetz.at und übt harte Kritik am lückenhaften Regierungsentwurf zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses.

Fiedler ortet in dem Entwurf aus dem Bundeskanzleramt „mehr Schlupflöcher für Politik und Verwaltung, als Rechte für die Bürger“. Es fehle der erkennbare Wille zu umfassender Transparenz.

Vor allem müsse eine Verfassungsbestimmung, die das Amtsgeheimnis abschaffe und das Recht auf Information über die Geheimhaltung stelle, gesamtheitlich für alle drei Ebenen des Staates gelten: Bund, Länder und Gemeinden. Ein reines Rahmengesetz würde zur Zersplitterung der Bürgerrechte durch unterschiedliche Landesgesetze führen.

Fiedler-Kritik an Regierungsentwurf NEWS 10 05 13

Konkret kritisiert Fiedler unter anderem:

– Der Regierungsentwurf enthalte nur Rahmenvorgaben, das Recht würde durch unterschiedliche Länderregelungen zersplittert: Informationsfreiheit muss ausschließlich Bundeskompetenz sein, sowohl in Gesetzgebung als auch Vollziehung.

– Das Verfahren, mit dem der Bürger sein Recht durchsetzen können sollte, würde mit dem Entwurf ebenfalls auf Bundesländer zersplittert: Das Verfahren zur Rechtsdurchsetzung muss zentral in einem Verfassungsgesetz für ganz Österreich geregelt sein.

– Bundesländer (zuständig auch für die Gemeinden) könnten mit dem Entwurf ihre Geheimhaltungsinteressen selbst festlegen und sich damit aussuchen welche Informationen sie weiterhin zurückhalten halten könnten. Für Fiedler ein untragbarer Zustand: Die Ausnahmen von der Informationspflicht müssen zentral und taxativ vom Bund in einem Verfassungsgesetz festgelegt sein, um den Bürger nicht vor ein Wirr-Warr von zersplitterten Länder-Ausnahmen und Gemeinde-Geheimnissen zu stellen.

– Bei der Auflistung der Institutionen wurden wichtige Bereiche entweder vergessen oder absichtlich ausgenommen: So fehlen unter anderem das Kontrollamt der Stadt Wien oder Institutionen wie die Gemeindeverbände, in denen sehr viele Entscheidungen getroffen werden, die Bürger unmittelbar betreffen. (Ebenso die Verwaltungsgerichte der Länder, die bereits gesetzlich eingerichtet wurden, und die in Bälde ihre Arbeit aufnehmen werden.)

– Weiters sind vom Entwurf nur bundes- und landesgesetzlich errichtete juristische Personen umfasst, das seien jedoch die Wenigsten: Die Masse von ausgegliederten Organisationen von Bund, Ländern und Gemeinden wie Stiftungen, Anstalten und Fonds müssten ebenfalls den Informationsrechten der Bürger unterliegen.

– Öffentlich-rechtliche Körperschaften und Kammern fehlten in dem Entwurf oder seien zu vage definiert: Diese müssten ebenfalls von der Verfassungsbestimmung umfasst sein.

Kritik üben Fiedler und die Initiative für Informationsfreiheit auch an der Formulierung des Textes: Er sei so vage formuliert, dass er zu viel Interpretationsspielraum für Politik und Verwaltung ließe.

Selbst ein Jurist müsse den Gesetzestext “zweimal lesen, um ihn einmal nicht zu verstehen”. Bei der Informationsfreiheit handle es sich jedoch um ein Grundrecht für Bürgerinnen und Bürger. Dieses muss einfach, klar und unmissverständlich formuliert sein, damit jeder Bürger seine Rechte kenne und gegenüber Behörden auch darauf pochen könne. Andereseits werde dadurch auch für den einzelnen Beamten klar geregelt, wie er sich zu verhalten habe.

Der Regierungsentwurf war vom Bundeskanzleramt erstellt worden und wurde von Staatssekretär Josef Ostermayer präsentiert. Er ist Gegenstand der Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP.

Sie hätten gern Infos? Wir auch!

Immer wieder werden wir gefragt, wie es denn nun weitergeht mit einem österreichischen Transparenzgesetz.

Ganz ehrlich? Das wüssten wir auch gern.

Faktum ist: Die Regierung hat einen ersten Vorschlag verkündet. Allein, der wurde leider nie wirklich veröffentlicht, weshalb wir das taten.

Seitdem haben auch wir von seiten der Politik keine Information bekommen. Wir müssen alles den Medien entnehmen, genau wie Ihr.

Demnach laufen offenbar lediglich nur Verhandlungen in Hinterzimmern zwischen den Regierungsparteien, wir sind jedenfalls nicht eingebunden. Interessant für ein Gesetz, das Transparenz schaffen und dem BürgerInnen freien Zugang zu staatlicher Information geben sollte.

Besonders bemerkenswert: Die Regierung wollte eigentlich noch diese Legislaturperiode ein Transparenzgesetz beschließen. Um das vor der Wahl noch zu tun, müsste es aber bereits einen fundierten Entwurf eines Gesetzestexts geben, um ihn öffentlich diskutieren zu können.

Damit sieht es so aus, als würde die Sache entweder auf die lange Bank geschoben, oder nur eine Minimalvariante ohne wirkliche Einbindung der Öffentlichkeit im Schnellverfahren durchgepeitscht. Beides halten wir leider für schwer fahrlässig bei einem so wichtigen Thema.

Was bisher auf dem Tisch liegt, ist jedenfalls alles andere als vielversprechend.

Nur kurz drei beispielhafte Punkte:

  • 1. Der verbreitete Entwurf der Verfassungsbestimmung ist selbst für informierte Durchschnittsbürger nicht verständlich. Und vor allem: inhaltlich extrem lückenhaft und sogar in sich selbst widersprüchlich.

Große Bereiche staatlichen Handlens sind von der Informationspflicht ausgenommen.

  • 2. Die Regelung der neuen Transparenz wird ein Bundesländerspezifikum. So soll es demnach unterschiedliche Rechte für Bürger unterschiedlicher Bundesländer geben. Ein neues Grundrecht würde auch eine österreichweit einheitliche Lösung verdienen.
  • 3. Klagen oder Betteln: Will man sein Buergerrecht durchsetzen hat man nur die Wahl zwischen Gerichten oder Volksanwaltschaft. Während international starke Informationsfreiheitsbeauftragte die Rechte der Bürger gegen die Verwaltung durchsetzen, traut sich Österreich nicht diesen Schritt zu machen. Wir werden von unserer Forderung nach eine(r) Transparenzbeauftragte(n) nicht abweichen. Denn Best Practice-Modelle aus Grossbritannien, Deutschland und vor allem Slowenien zeigen, dass dies der einzig effektive Weg ist.

Es ist also nicht nötig das Rad neu zu erfinden, die Regierung müsste sich nur an international erprobten Modellen orientieren. Leider scheint es derzeit, als würde eher versucht nur das Nötigste zu tun, statt sich mutig einem Transparenzgesetz zu bekennen, das einer Gesellschaft des 21. Jahrhundert gerecht wird.

Wir fordern deshalb die Einbindung der Öffentlichkeit und die Diskussion des Gesetzes mit der Zivilgesellschaft. Wie es sich fuer ein Transparenzgesetz gehört.

Der erste Vorschlag aus dem Kanzleramt

Das Kanzleramt hat nun auch offiziell seine Vorschläge für ein Informationsfreiheitsgesetz vorgelegt”, schreibt “Die Presse”. So geschehen beim Pressefoyer nach dem gestrigen Ministerrat wie vor drei Wochen angekündigt. Es handelt sich dabei um formlose, etwaige erste Punkte eines Informationsfreiheitsgesetzes sowie um eine konkret notwendige Verfassungsbestimmung zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses.

Diese zwei Papiere lagen zwar mehreren Medien vor. Nicht aber uns.

Intransparenz schafft Dilemmata

Das stellte uns vor ein Problem: Wir wurden zwar von mehreren Medien kontaktiert wie wir den Vorschlag bewerten, konnten aber anfangs nichts dazu sagen, da wir ihn nicht kannten. Er war zu diesem Zeitpunkt nirgends öffentlich einsehbar.

Darauf passiert, was in solchen Fällen sehr oft passiert. Medien – gleich mehrere! – schickten uns das Papier zur Durchsicht. Wir sahen es durch und gaben, so gut das bei einer ersten Punktation möglich ist, unsere Einschätzung ab. Wir gingen davon aus, dass dieser Vorschlag dann gemeinsam mit dem Medienbericht (zumindest online) veröffentlicht würde.

Dies geschah aber leider nicht.

Das brachte uns in ein Dilemma: Für BürgerInnen und vor allem unsere UnterstützerInnen ist damit leider nicht transparent auf welcher Grundlage unsere erste Einschätzung basiert.

Die Medien gaben aufgrund journalistischer Notwendigkeit…

– nur den Inhalt wieder,
– diesen nur sinngemäß,
– und natürlich nicht vollständig (was aus Platzgründen verständlich ist)

Damit wird zwar die Nachricht vermittelt, dass es einen Vorschlag gibt. Aber für den Interessierten nicht wie dieser ganz konkret ausieht – was von Bürgern zurecht moniert wurde, die die Kritik anderer Parteien wiedergaben.

Intransparenz schafft Zwangslagen

Da leider kein Medium den Vorschlag an sich veröffentlichte und wir ihn auch auf den Webseiten der involvierten Parteien nicht fanden, müssen wir im Sinne der Transparenz unsere UnterstützerInnen wissen lassen, auf welcher Basis wir unsere erste Einschätzung in den Medien abgaben. 

Wenn in der Öffentlichkeit über konkrete Vorschläge, Entwürfe – und damit Papiere – diskutiert wird, sollten diese auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Vor allem wenn es sich um ein Transparenzgesetz bzw. Informationsfreiheitsgesetz handelt.

Wir würden uns das sehr wünschen. Im Sinne aller Bürgerinnen und Bürger.

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Folgende zwei Papiere wurden uns von Medien übermittelt, um eine erste Bewertung abzugeben:

Inhalte eines Infomationsfreiheitsgestzes – Die Punktation die uns uebermittelt wurde

B-VG-Novelle Informationsfreiheit – Die B-VG-Bestimmung die uns uebermittelt wurde