Informationsfreiheit – Expert:innen warnen vor Fehlern auf letzten Metern

Informationsfreiheit: Expert:innen warnen vor Fehlern auf letzten Metern

Zwei Bruchstellen sollten laut Expert:innen vor Beschluss des Informationsfreiheitsgesetzes beseitigt werden, sonst drohen Probleme mit der Durchsetzung der Informationsrechte und bereichsspezifische Amtsgeheimnisse. Diese könnten Korruption und Intransparenz weiterhin ermöglichen.

Wien, 17.1.2024 – Vertreter:innen der Organisationen Epicenter.works, Forum Informationsfreiheit und Saubere Hände bekräftigen nach dem Hearing im Verfassungsausschuss die historische Verantwortung der Parteien, nach fast 11 Jahren politischer Versprechen ein starkes Informationsfreiheitsgesetz zu beschließen. Anhand der Fragen im Ausschuss zeige sich aber, dass es noch heikle Stellen gibt, an denen dringend nachgeschärft werden muss. Neben etlichen Verbesserungen gegenüber der aktuellen Gesetzeslage betrachten die Vertreter der Zivilgesellschaft die Umsetzung im internationalen Vergleich als unambitioniert und fordern die Behebung zweier schwerwiegender Mängel vor dem geplanten Beschluss im Nationalrat am 31. Januar. Nur ein durchsetzungsstarkes Informationsfreiheitsgesetz könne Machtmissbrauch, Amtsmissbrauch und Korruption verhindern.

Sollbruchstelle 1: Nachrang vor allen anderen Gesetzen 

Der schwerwiegendste Mangel: die Informationsfreiheit könne mit beliebigen anderen Bundes- oder Landesgesetzen ausgehebelt werden. So könnten Regierungen und Gesetzgeber in Land und Bund z.B. auch in Zukunft Blackboxen wie die COFAG schaffen, die erstmal jahrelang von der Informationsfreiheit ausgenommen wären, denn wenn Informationszugangsregeln in anderen Gesetzen existieren ist das vorgeschlagene Informationsfreiheitsgesetz „nicht anzuwenden“. „Damit wären bereichsspezifische Amtsgeheimnisse möglich, die Bürger:innen erst vor dem Verfassungsgericht bekämpfen müssten“, betont Markus Hametner vom Forum Informationsfreiheit.

Sollbruchstelle 2: nicht einmal Richter können Einblick erzwingen 

Wenn die Behörde Informationen nicht herausgeben will, dann bleibt nur der Weg zum Verwaltungsgericht. Jedoch fehlt im Gesetz die ausdrückliche Möglichkeit für Richter:innen die Dokumente einzusehen, über deren Herausgabe sie zu entscheiden haben. Es gab in der Vergangenheit schon Fälle, in denen die angefragte Behörde den Richter:innen den Zugang zu den Dokumenten versagt hat. So kann der Rechtsschutz nicht funktionieren. „Auch für die Prüfung, ob tatsächlich Datenschutz-Probleme vorhanden sind, muss sichergestellt werden, dass Richter anhand der konkreten Informationen entscheiden können“, so Thomas Lohninger von Epicenter.works und verweist auf ein Verfahren des Forum Informationsfreiheit beim Verwaltungsgericht Wien sowie die Verwaltungsrichtervereinigung, die auch Regeln zum Informationszugang fordert.

 

Korruption wird möglich, wenn staatliches Handeln im Geheimen stattfinden kann.  Transparenz ist der Schlüssel der Korruptionsbekämpfung. „In dem jetzigen Gesetz ist jedoch nicht sichergestellt, dass alle relevanten Dokumente veröffentlicht werden müssen. Weder wird kontrolliert, ob diese veröffentlicht werden, noch sieht es Sanktionen vor, wenn dies nicht geschieht. Für eine effektive Korruptionsbekämpfung wäre das aber wesentlich “, sagt Ursula Bittner von Saubere Hände.

 

Beilagen:

Unsere Einschätzung im Verfassungsausschuss

Am Montag, 15.1.2024, war Forum Informationsfreiheit–Vorstandsmitglied Markus Hametner im Verfassungsausschuss des Parlaments geladen, um zu einem (abgeänderten) Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz Stellung zu nehmen. Wir veröffentlichen hier den vom Parlament bereitgestellten Entwurf, das Manuskript des Eingangsstatements von Markus Hametner sowie den Link zum aufgezeichneten Livestream auf der Parlaments-Homepage.

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Sg. Damen und Herren,

in zwei Wochen werden es elf Jahre, seit das Forum Informationsfreiheit erstmals die Forderung nach einem Transparenzgesetz erhoben hat. Einem Transparenzgesetz, das Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu staatlichen Informationen ermöglicht, eine proaktive Veröffentlichungspflicht in einem zentralen Register vorsieht, nach internationalem Vorbild überwacht und kontrolliert von einem oder einer unabhängigen Informationsbeauftragten. Und es werden bald elf Jahre sein, seit alle im Parlament vertretenen Parteien zugesagt hatten, die Forderungen dieser Petition umzusetzen.

Heute sprechen wir über ein Gesetz, das Ansätze dieser Forderungen umsetzt. Ich werde die Verbesserungen ansprechen, muss aber in Folge auch auf ambivalente und problematische Punkte hinweisen.

Die wichtigsten Verbesserungen: Eine längst überfällige Klarstellung, dass ein Bürger bzw. eine Bürgerin das Recht auf staatliche Informationen und Dokumente hat, und nicht nur mit vagen Auskünften abgespeist werden kann. Der neu vorgesehene Informationszugang gegenüber vom Staat kontrollierten privaten Organisationen. Diese beiden Verbesserungen sind Meilensteine in den Informationsrechten und werden in der Praxis für Journalistinnen, Wissenschafter und Bürger eine große Verbesserung bewirken.

Fristen und Veröffentlichungspflicht ambivalent

Ambivalent ist das Thema Fristen: Zwei Monate für die Verschriftlichung einer schon erfolgten Entscheidung – und nichts anderes ist die Frist für die Bescheiderstellung – ist aus Sicht von Bürger:innen wirklich nicht nachvollziehbar. Gegenüber dem absurden HALBEN JAHR wie aktuell ist es natürlich eine Verbesserung. Nicht weniger absurd ist, dass Behörden sich für eine Antwort weiterhin bis zu acht Wochen Zeit nehmen können. Aber zumindest nicht 16 Wochen, wie im SPÖ-ÖVP Entwurf im Jahr 2015 vorgesehen.

Zur proaktiven Veröffentlichungspflicht: Eine Pflicht ist nur so gut wie ihre Kontrolle und die Konsequenzen bei Nichtbeachtung. Weder Kontrolle noch Konsequenzen sind hier enthalten. Damit wird nicht nur verhindert, dass Bürger:innen unterlassene Veröffentlichungen von einem Gericht bewerten lassen – auch Verantwortungsträger, die solcher Kritik ausgesetzt sind, haben keine Chance von Gerichten Recht zu bekommen. Stellen, die wollen, werden Informationen veröffentlichen. Die, die nicht wollen, nicht. Wie schon jetzt.

Problem 1: Nachrang

Zum Nachrang in § 16: An dem SPÖ-ÖVP-Entwurf vor über sieben Jahren gab es eine große Schwachstelle: dass in anderen einfachen Gesetzen zusätzliche Ausnahmen geschaffen werden konnten. Das übertrifft der Vorschlag, den Sie nun mit Verfassungsmehrheit beschließen wollen: andere einfache Gesetze werden das mühsam ausverhandelte, mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossene Informationsfreiheitsgesetz als Ganzes unanwendbar machen können. Eine in letzter Minute ohne Erklärung dazu gekommene Sollbruchstelle, die Behörden und Regierungen erlauben wird, Informationserteilungen um Jahre zu verzögern.

Machen wir es konkret. Ein Corona-Förderungs-Gesetz, das ermöglicht, Anfragen erstmal jahrelang nicht zu bearbeiten, vielleicht mit allgemeinen Geheimhaltungsgründen, exorbitanten Gebühren? Ein Vorarlberger-Bürgermeistergehalt-Geheimhaltungsgesetz, das die Offenlegung erst Jahre nach einer Amtszeit vorsieht? Solange die Gesetze „Informationszugangsregelungen“ enthalten wird das ganze Verfahren mit kurzen Fristen, Gebührenbefreiung etc unanwendbar. Bis ein Höchstgericht die Gesetze kippt, was trotzdem die Verfügbarkeit von relevanten Informationen um Jahre verzögert.

Problem 2: Rechtsschutz

Der Rechtsschutz bleibt gleich – obwohl Ihnen die Probleme bekannt sind: Etwa jahrelange Verfahren, die selbst nach Höchstgerichts-Entscheidungen nicht zur Informationserteilung führen. Und Richter:innen, die die angefragten Informationen nicht einsehen können. Verbesserungen dazu sind aus dem Entwurf nicht herauszulesen.

Um das zu betonen: das Gesetz sieht ausschließlich vor, dass der Verfahrensakt zum Gericht geht. Behörden nehmen die angefragten Informationen nicht in diesen Verfahrensakt auf. Es gibt keine Möglichkeit, eine Ergänzung dieses Akts zu erzwingen. Ein Richter hat – wenn es die Behörde nicht will – keine Möglichkeit, sich selbst ein Bild zu machen. Andere Ländern haben eindeutige Regeln dazu.

 

Ein letzter Punkt: Im Wiener Koalitionsvertrag ist ein Informationsfreiheitsbeauftragter vorgesehen, wir sehen nicht, wie er mit diesem Gesetz umsetzbar wäre. Ermöglichen Sie die Schaffung von Informationsfreiheitsbeauftragten zumindest dort, wo es den politischen Willen dafür gibt.

Das Gesetz bringt Verbesserungen und stärkere Bürgerrechte, diese sollten nun auch beschlossen werden.

Es bleibt aber gegenüber internationalen Vorbildern in vielen Punkten besonders dort zurück, wo es darum geht, dass die Transparenz auch bei den Bürgern ankommt.

Die Sollbruchstellen sind teilweise erst im Entwurf von Oktober dazu gekommen, sie wären einfachst ausräumbar. Unsere Vorschläge dazu liegen Ihnen vor.

Österreich und die Bevölkerung verdienen ein fortschrittliches und mutiges Informationsfreiheitsgesetz – ja, dazu braucht es auch Mut durch den Gesetzgeber. Nur dadurch kann es zu dem nötigen tiefgreifenden Kulturwandel kommen, von dem Österreich nur profitieren kann.

Forum Informationsfreiheit fordert Stärkung des Informationsfreiheitsgesetz im Parlament

Transparenz-NGO appelliert für in den parlamentarischen Verhandlungen um eine ⅔ Mehrheit, noch wichtige Anpassungen vorzunehmen und Hintertüren zu schließen, die eine Umgehung der nun verhandelten Regeln ermöglichen oder Recherchen gefährden

Zu den gerade laufenden Verhandlungen im Parlament um eine ⅔-Mehrheit für ein Informationsfreiheitsgsetz mahnt das Forum Informationsfreiheit in einer neuen Stellungnahme wichtige Änderungen ein. Der Gesetzesentwurf müsse noch in vier konkreten Punkte geändert werden. Sonst drohe ein schwer reformierbares Gesetz mit kaum begrenzten Möglichkeiten für Bund und Länder, in weiten Bereichen Amtsgeheimnisse zu schaffen.

Die Adaptionen betreffen den erst im letzten Entwurf hinzu gekommenen Nachrang des IFG gegenüber anderen Gesetzen, die Verankerung des öffentlichen Interesses in den vorgeschlagenen Verfassungsbestimmungen, die Schließung von groben Lücken im Rechtsschutz, sowie die Entschärfung der Regeln zur Information weiterer Personen über eine Anfrage. Würden diese Änderungen im Parlament vorgenommen würde das die größten Einfallstore für Transparenz-Lücken schließen und aktuelle Entscheidungen der Höchstgerichte berücksichtigen.

Das im IFG definierte Anfrage-Verfahren solle nicht wie geplant  durch andere Gesetze ausgehebelt werden können. Bund und Länder könnten sonst in Zukunft in jedem Gesetz mit einfacher Mehrheit das gesamte Informationsfreiheitsgesetz aushebeln und Anfragen zu gewissen Informationen erschweren oder verunmöglichen. „Ein Informationsfreiheitsgesetz sollte Mindeststandards für den Zugang zu Informationen definieren“, so Markus Hametner, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit. Wenn solche Gesetze die Bürgerrechte zu sehr einschränken müssen Bürgerinnen und Bürgern zuerst das Gesetz vom Verfassungsgericht prüfen lassen bevor sie Anfragen stellen können.

Auch die Verfassungsbestimmungen sollten gestärkt und die Abwägung zwischen öffentlichen Interessen und Geheimhaltungsinteressen nicht nur einfachgesetzlich festgeschrieben werden, so das Forum Informationsfreiheit. „Wenn ermöglicht werden soll, dass weitere Gesetze das Informationsfreiheitsgesetz aushebeln, müssen die Regeln im Verfassungsrang gestärkt werden“, so Markus Hametner.

Bei der Kontrolle durch die Gerichte kritisiert das Forum Informationsfreiheit, dass die schon in seiner letzten Stellungnahme 2021 aufgezeigten Probleme nicht ausreichend angegangen wurden. Der aktuelle Regierungsentwurf der beiden Koalitionsparteien erlaubt Behörden sogar jenen Richtern, die über die Informationsverweigerung entscheiden, die angefragten Informationen vorzuenthalten. „Das haben wir schon selbst erlebt, damit wird der Rechtsschutz der Bürger untergraben“, kommentiert Markus Hametner.

Die Vorschrift, dass Personen informiert werden sollen, deren Daten von Anfragen umfasst sind, sieht das Forum Informationsfreiheit grundrechtliche Probleme. Journalistische Recherchen seien besonders geschützt, das stelle auch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs klar, die von den Journalisten Martin Thür und Michael Nikbakhsh erzielt wurde. „Bei Recherchen von Journalist:innen sollte diese Information unterbleiben können, und selbst Anfragen von Durchschnitts-Bürger:innen sollten so behandelt werden, dass die Identität des Anfragestellers geschützt bleibt“, so Markus Hametner.

Neben den konkreten Änderungsvorschlägen zeigt die NGO auch Verschlechterungen im Vergleich zum 2021 präsentierten Gesetzesvorschlag auf, etwa durch die Abschaffung der Informationsrechte gegenüber der Gesetzgebung und der Gerichtsbarkeit und damit auch der Staatsanwaltschaften, sowie durch die Einführung einer 5.000-Einwohner-Grenze für die proaktive Veröffentlichungspflichten. Auch darauf, dass weiterhin ein Informationsfreiheitsbeauftragter nicht vorgesehen ist und auch für seine Funktionen oft keine alternativen Lösungen gefunden wurden weist das Forum Informationsfreiheit einmal mehr hin.

Demokratie-Index: Zustand der demokratischen Infrastruktur stagniert

Nach leichten Verbesserungen in den letzten Jahren zeigt sich heuer eine Trendumkehr im Demokratie-Index. Verantwortlich sind Verschlechterungen bei Grundrechten und Medien.

“Eine liberale Demokratie ist nur dann stark, wenn sie über eine vielfältige und kritische Medienlandschaft verfügt und die Grundrechte konsequent durchsetzt. Österreich zeigt in diesen Bereichen zuletzt aber leider Schwächen – doch es ist nicht zu spät, um gegenzusteuern”, so Luise Wernisch-Liebich vom Verein Demokratie-Index bei der Präsentation am Dienstag in Wien.

Der Index-Wert für die Säule “Medien” sank im vergangenen Jahr um 7,1 Prozentpunkte auf 60,2 Prozent. “Vom Kanzleramt bis zum Gemeinderat offenbart sich: Der Respekt vor der Pressefreiheit ist in Österreich mangelhaft ausgeprägt”, so Mathias Zojer vom Presseclub Concordia. Zuletzt gab es eine Häufung von Versuchen von Politiker*innen, seriösen Journalismus zu diskreditieren. Vereinzelt kam es im vergangenen Jahr aber auch zu rechtlichen und physischen Angriffen auf Journalist*innen.

Der Umbau der Wiener Zeitung stellt einen Rückschritt für die Unabhängigkeit der Medien dar: Anstelle der ältesten Tageszeitung der Welt wurde ein Medienunternehmen unter der direkten Kontrolle des Kanzleramts eingerichtet, das mit 16.5 Millionen Euro im Jahr und viel Handlungsspielraum ausgestattet ist, dabei aber nur wenig Rechenschaft und Kontrolle unterliegt.

Gleichzeitig ist die Medienvielfalt in Österreich durch erhebliche Einnahmeverluste stark bedroht. Staatliche Förderungen und Inserate sind nach wie vor nicht an medienethische Kriterien gekoppelt und die Finanzierung des Presserats ist nicht ausreichend gesichert. Hier muss die Politik dringend gegensteuern. “Verantwortungsvoller Journalismus muss gestärkt werden, um der grassierenden Desinformation entgegenzutreten”, so Zojer.

Eine wesentliche Hürde für die journalistische Arbeit war im vergangenen Jahr auch der beschränkte Zugang zu staatlichen Informationen. Im Vergleich zum Vorjahr wurden im Kapitel Informationsfreiheit 0,7 Prozentpunkte weniger erreicht. „Vergangenes Jahr haben wir eine neue Regelung positiv bewertet, mit der die Politik eine proaktive Veröffentlichungspflicht für Studien und Gutachten versprochen hatte. Mit Inkrafttreten dieser Regelung in diesem Jahr zeigt sich aber: zahlreiche Studien werden weiterhin geheim gehalten – das Versprechen wurde so also nicht eingehalten“ erklärt Markus Hametner, Vorstandsmitglied des Forum Informationsfreiheit. Der neue Gesetzesentwurf der Regierung ist erst nach dem Redaktionsschluss des Demokratie-Index bekannt geworden und konnte deswegen noch nicht in die Bewertung einfließen.

Eine besorgniserregende Entwicklung ist die Verschlechterung der Säule “Souverän” um 1,9 Prozentpunkte. Überfällig sind Verbesserungen im Bereich der Grundrechte: Bei den Rechten für Menschen mit Behinderung, im Strafvollzug, bei der Sicherheit von Frauen, im Schutz vor Diskriminierung, im Asylrecht sowie beim Recht auf Umweltschutz und sozialen Mindestandards..

Verbesserungen gab es in den Säulen Parteien, Justiz, Zivilgesellschaft und Wahlen, insgesamt verschlechterte sich der Wert des Demokratie-Index 2023 um 0,1 Prozentpunkte auf 57,0%.

Der österreichische Demokratie-Index

Der Demokratie-Index bewertet einmal im Jahr die Infrastruktur der Demokratie auf Basis von sieben Säulen: Souverän, Parteien, Legislative, Exekutive, Justiz, Medien und Zivilgesellschaft.

Am Projekt beteiligt sind:

  • Antikorruptionsvolksbegehren
  • Meine Abgeordneten
  • wahlbeobachtung.org
  • Forum Informationsfreiheit
  • epicenter.works
  • Gründungsverein Österreichische Demokratiestiftung
  • Presseclub Concordia

Der Demokratie-Index ist ein ehrenamtliches Projekt der beteiligten NGOs für unsere Demokratie. Alle Informationen zum Demokratie-Index: www.demokratieindex.at

Regierungsentwurf für Informationsfreiheitsgesetz – Unsere Ersteinschätzung

Wir begrüßen, dass es nun einen neuen Regierungsentwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz gibt. Jede Bewegung ist positiv, die Politik ist uns schon seit 10 Jahren im Wort.

Es wäre gut und wichtig, dass ein gutes Informationsfreiheitsgesetz kommt und damit ein neues Grundrecht in Österreich geschaffen wird – das Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten für alle Bürgerinnen und Bürger.

Das Gesetz ist eine historische Chance für Österreich – das vorgesehene Recht auf Information nimmt Behörden viele beliebte Ausreden. Dass das Recht auch gegenüber Staatsunternehmen durchsetzbar sein soll ist jedenfalls ein wichtiger Fortschritt.

Wir müssen den Entwurf aber jetzt noch im Detail analysieren. Denn: Wie die sogenannte Veröffentlichungspflicht für Studien (Art. 20 (5) B-VG) gezeigt hat, liegt der Teufel im Detail. Wegen Formulierungsmängeln ist es bislang bei Transparenz auf dem Papier geblieben: Ministerien etwa veröffentlichen nur einen kleineren Teil aller Studien. So etwas darf hier nicht passieren.

  • Unsere Stellungnahme und unser Blog Post zum Begutachtungsentwurf (2021) – viele dort angeführte Kritikpunkte gelten weiterhin.

Verbleibende No-Gos

Der Entwurf sieht auf Verfassungsebene etwas vor, das man nur als Ewigkeitsklausel bezeichnen kann (Art. 22a (4) B-VG). Jedes Bundesland könnte aus jedem Grund verhindern, dass das Gesetz in Zukunft geändert werden kann. Bei einem Gesetz, dass den Informationszugang von Bürger:innen grundsätzlich neu regelt und völlig ungetestet ist, muss die Reformierbarkeit unbedingt gewahrt bleiben. Andere Länder evaluieren und verbessern die Gesetze nach wenigen Jahren, hier ist das nicht vorgesehen und jeder Landeshauptmann könnte auf jeden anderen verweisen, dass dieser es ja nicht wolle. Das Gesetz geht jetzt in den parlamentarischen Prozess und aus unserer Sicht sollte neben etwas Detailarbeit besonders dieser Punkt entschärft werden.

Nachdem § 10 nicht vorsieht, dass Behörden die Identität des Anfragestellers schützen, ist dies eine Gefahr für die Medienarbeit und würde Interventionen bei laufenden Recherchen begünstigen.

  • „§ 10: Greift die Erteilung der Information in die Rechte eines andere (§ 6 Abs. 1 Z 7) ein, hat das zuständige Organ diesen davor nach Möglichkeit zu verständigen und zu hören. Hat sich die betroffene Person gegen die Erteilung der Information ausgesprochen und wird diese Information dennoch erteilt, ist sie davon schriftlich zu verständigen.“

Auch der § 16, der Einschränkungen des Informationszuganges durch andere Gesetze erlaubt, ist ein gefährliches Einfallstor, dessen Auswirkungen wir bisher nicht einschätzen können.

  • „§ 16: Soweit in anderen Bundes- oder Landesgesetzen besondere Informationszugangsregelungen bestehen oder besondere öffentliche elektronische Register eingerichtet sind, ist dieses Bundesgesetz nicht anzuwenden.“

Im Parlament sind alle Parteien in demokratischen Verhandlungen gefordert, ein möglichst bürgerfreundliches Gesetz zu finalisieren – und sicherzustellen, dass die Transparenz nicht nur auf den Papier steht, sondern auch gelebt wird. 

International gilt für Transparenzgesetze ein einfacher Gradmesser: Ein Informationsfreiheitsgesetz ist immer nur so gut, wie seine schwächste Bestimmung.

Insbesondere muss sichergestellt werden, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Recht auf Information effektiv durchsetzen können, also die gewünschten Dokumente unbürokratisch und rasch bekommen können – auch dann, wenn eine staatliche Stelle dies, etwa aus politischen Überlegungen heraus, nicht herausgeben will.

Was wird sich ändern?

  • Die Verkürzung der Fristen im Rechtsweg ist eine positive Entwicklung, die auch schon im vorherigen Entwurf vorgesehen war. Auch das Informationsrecht gegenüber staatseigenen Unternehmen ist jedenfalls eine positive Entwicklung im Vergleich zur jetzigen Rechtslage.
  • Die vorgesehene automatische Veröffentlichung – für die betroffenen Stellen – von staatlichen Verträgen und Informationen allgemeinen Interesses sollte möglichst ambitioniert und klar gestaltet werdenVerträge mit Wert über 100.000 Euro ist eine äußerst unambitionierte Grenze.
  • Die Abschaffung der Veröffentlichungspflicht für manche Gemeinden ist ein Foul an ihren Einwohnern. Sie müssen sich mit ihrem Bürgermeistern anlegen für die Informationen, zu deren Herausgabe andere Bürgermeister verpflichtet sind. Und da geht es nicht um nichts, sondern um Verträge über 100.000 Euro. Das betrifft auch die aktuelle Veröffentlichungspflicht von Studien in kleinen Gemeinden, das wäre also eine Verschlechterung für die Bürger des Großteils der Gemeinden.

„Mauer des Schweigens 2023” geht an Stadt Wien, Vorarlberger Bürgermeister, Rust und Burgenland

Intransparenz-Preise anlässlich des Tags der Informationsfreiheit – Goldener Informationsfilter an die Oberösterreichische Landesregierung

Wien, 28. September 2023 – Anlässlich des 21. Internationalen Tags der Informationsfreiheit – dem Right to Know-Day – hat das Forum Informationsfreiheit (FOI) den Amtsgeheimnis-Award „Die Mauer des Schweigens“ für „besondere Verdienste um die Verweigerung amtlicher Antworten“ vergeben.

Die Stadt Wien erhält den ersten Preis für die schikanöse Behandlung einer Anfrage des Grätzl-Blattes zu einer Verkehrsstudie im Volkertviertel – inklusive Inseratenentzug gegen das ehrenamtliche Blatt und Strafdrohung an einen recherchierenden Journalisten. Der Bürgermeister von Fraxern erhält stellvertretend für zahlreiche weitere Vorarlberger Bürgermeister den zweiten Preis für seine Auskunftsverweigerung zur Verwendung von Steuergeld – für sein Gehalt. Das Burgenland und die Stadt Rust erhalten den dritten Preis für die Verhinderung der Veröffentlichung von Gemeinderatsprotokollen auf der Homepage, obwohl der Gemeinderat diese Veröffentlichung beschlossen hat.

Den goldenen Informationsfilter erhält die Regierung des Landes Oberösterreich, die seit geraumer Zeit die Veröffentlichung von Video-Aufzeichnungen von Gemeinderatssitzungen verhindert, statt die Gemeindeordnung anzupassen.

Mit dem Negativ-Preis „Mauer des Schweigens“ weist die Bürgerrechts-Organisation jährlich auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor den Bürgerinnen und Bürgern hin. Nominiert werden konnten alle Fälle, bei denen österreichische Behörden Auskünfte verweigert haben, Informationen von Politik oder Verwaltung zurückgehalten wurden, oder öffentliche Kontrolle staatlicher Institutionen durch politische Bemühungen erschwert oder verhindert wurde.

Erster Preis: Stadt Wien

„für die schikanöse Behandlung einer Journalisten-Anfrage, inklusive Androhung einer Mutwilligkeitsstrafe und Inserate-Entzug“

Das Volkertviertel nahe des Praters in Wien ist Gegenstand einer Pilotstudie, in der die Verkehrsabteilung der Stadt Wien die Wünsche der Bewohner:innen für ein dort zu errichtendes „Supergrätzel“ sammeln ließ. Das Supergrätzel ließ auf sich warten, die Studie blieb unter Verschluss. 2021 begehrte ein Redakteur des ehrenamtlichen „Grätzl-Blattl“ die Übermittlung der Studie. Es folgen Ausflüchte: Zuerst wolle man sie nicht veröffentlichen, dann sei die Studie noch nicht fertig gewesen und am Ende standen sogar Geschäftsgeheimnisse einer Veröffentlichung im Weg. Das Grätzl-Blattl bleibt trotz verweigerten Bescheiden und nicht ans Gericht weitergeleiteten Säumnisbeschwerden am Ball. In einer Gerichtsverhandlung kündigt der Bezirksvorsteher an, dass die Studie übergeben werden wird, die Stadt macht aber einen Rückzieher und bietet nur eine „Ergebnispräsentation“ ohne Studie an. Weil der Redakteur auf der vereinbarten Übergabe besteht, droht ihm die Stadt Wien mit einer Mutwillensstrafe. Das Verwaltungsgericht entscheidet schlussendlich: Der Redakteur hat Recht und soll die Studie bekommen, die Stadt Wien geht mit einer Amtsrevision zur höheren Instanz.

Nach zwei Berichten über die skurrile Verschlussakte im Newsletter „Falter.morgen“ erhält das Grätzl-Blattl plötzlich die ganze Studie. Ohne Schwärzungen. Obwohl der Fall noch beim Höchstgericht lag. Ende gut, alles gut?

Nicht ganz. Einmal mehr zeigt dieser Fall, wie unsouverän die Stadt Wien mit Journalisten umgehen kann: Bezirksvorsteher Alexander Nikolai drohte schon 2021, dass der Bezirk in Zukunft keine Inserate mehr im Grätzl-Blattl schalten werde. Als der Journalist das Angebot, eine Präsentation statt der Studie zu erhalten, nicht annahm, wurde ihm eine Mutwillensstrafe angedroht. Stadt und Bezirk konnten jahrelang eine politisch ungewollte Diskussion verhindern – und ohne Konsequenzen Gericht und Journalisten einen ungeheuren Aufwand aufbürden.

Zweiter Preis: Steve Mayr, Bürgermeister von Fraxern, stellvertretend für weitere Bürgermeister:innen

„für das Geheimhalten der Verwendung von Steuergeld: ihrer von der Gemeinde festgelegten Gehälter“

Man möchte meinen, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass Bürger:innen von Gemeinden erfahren, wie viel der gewählte Bürgermeister:innen verdient. Nicht so in Vorarlberg. Dort wollten die Vorarlberger Nachrichten wissen, wie viel Gemeinden ihren Bürgermeistern überweisen und sind bei einigen Gemeinden auf Unverständnis gestoßen. Eigentlich sollten die Bezüge-Verordnungen von den Gemeinden proaktiv veröffentlicht werden, doch mehrere Gemeinden verstoßen gegen diese Veröffentlichungspflicht – straflos. Die VN mussten daraufhin selbst rechnen, kamen aber bei mehreren Gemeinden wegen Anpassungen und Nullrohnrunden zu keinem eindeutigen Ergebnis. Eine Unsicherheit, die einige Bürgermeister trotz mehrmaliger Nachfragen nicht aufklärten.

Die „Mauer des Schweigens“ erhält Fraxens Bürgermeister Steve Mayr stellvertretend für alle Bürgermeister:innen in Vorarlberg, die ihre Bürger:innen über ihre tatsächlichen Bezüge im Unklaren lassen und ihre Veröffentlichungspflichten ignorieren. Mayr, der auch im Landtag sitzt, warf den recherchierenden VN „Hetze gegen Politiker Gehälter“ vor – wegen der Frage, wie viel Steuergeld genau an ihn fließt. Diese Einstellung ist symptomatisch für das immer noch fest verankerte Amtsgeheimnis in der österreichischen Verwaltung.

Die Preisträger zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie eine Auskunft verweigern, die zahlreichen in anderen Gemeinden kein Problem war, teilweise schon „nach wenigen Minuten“ erteilt wurde und deren Berechnungsgrundlage proaktiv zu veröffentlichen wäre.

Dritter Preis: Amt der Burgenländischen Landesregierung & Stadt Rust

„Für die Verhinderung der Umsetzung eines Gemeinderatsbeschlusses, laut dem Gemeinderatsprotokolle auf der Website zu veröffentlichen sind“

Die Freude war groß: die Protokolle der öffentlichen Teile von Gemeinderatssitzungen in der Freistadt Rust sollen auf der Homepage veröffentlicht werden. Die Geschäftsordnung wurde mit Zustimmung aller Parteien geändert – eine absolute Seltenheit. Seither gab es laut den Einreichern sechs Sitzungen und noch kein einziges Protokoll auf der Homepage. Der Grund: Datenschutzbedenken. Der Bürgermeister habe beim Land nachfragen lassen und erfahren: eine Gemeinderatssitzung sei „publikumsöffentlich, nicht aber internetöffentlich“. Die zuständige Abteilung spricht sich laut dem Bürgermeister dagegen aus, dass ein vollumfängliches Protokoll veröffentlicht wird, eine Kurzzusammenfassung würde reichen. Ebenso ein Hinweis, dass das Protokoll im Rathaus aufliegt. Nur das vollständige Protokoll geht für das Landesamt nicht in Ordnung.

Sollten tatsächlich Datenschutzbedenken bestehen, könnten diese auch durch teilweise Schwärzung der Protokolle ausgeräumt werden – das wäre wohl auch weniger Aufwand, als eine eigene Zusammenfassung zu fertigen. Stattdessen werden der Bevölkerung auch jene Teile der Protokolle vorenthalten, bei denen es keinerlei Datenschutz-Bedenken gibt. Das verdient eine Mauer.

Goldener Informationsfilter: Land OÖ – Gemeindeordnung

„für die Unterbindung der Veröffentlichung von Gemeinderatssitzungs-Videos“

Seit geraumer Zeit erhalten Gemeinden in Oberösterreich laut der Initiative „mehr demokratie!“ vom Amt der Landesregierung die Auskunft, Gemeinden dürfen Gemeinderatssitzungen zwar live im Internet übertragen, dauerhaft abrufbare Videos der Sitzungen dürfe eine Gemeinde aber nicht veröffentlichen. Dafür sei nämlich anders als im Fall von Parlamenten und Landtagen eine Rechtsgrundlage nötig, die Oberösterreichische Gemeindeordnung sehe das aber nicht vor. Das Gesetz, das die Zurverfügungstellung von Videos nicht explizit erlaubt, stammt aus 1990, lange bevor das technisch möglich war. Diese Rechtsansicht hat die absurde Auswirkung, dass Zuschauer Videos von Gemeinderatssitzungen veröffentlichen dürfen, die Gemeinde selbst aber nicht.

Die Regierungsparteien in Oberösterreich könnten diese Gemeindeordnung jederzeit anpassen und damit die Veröffentlichung von Videos der öffentlichen Sitzungen explizit erlauben, wie sie es schon 2018 taten, um explizit Livestreams aus Gemeinderatssitzungen zu ermöglichen. Ein Entwurf, der diesen Missstand behebt, ist bisher jedoch noch nicht bekannt.

Erwin Leitner von „mehr demokratie!“ betont in seiner Einreichung die Auswirkungen dieser Rechtsansicht: „Wie können wir junge Menschen für die Demokratie begeistern, wenn sie zwar täglich am Smartphone zahllose Videos ansehen können, aber nicht solche, in denen wichtige Entscheidungen in ihrer Gemeinde gefällt werden?

Mauer des Schweigens 2023: Die Nominierten

Die Umsetzung der proaktiven Veröffentlichungspflicht in den Ministerien: Monatelang veröffentlichten Ministerien gar keine Studien. Gleichzeitig fanden sie Wege, die Veröffentlichungen hinauszuzögern. Längst fertige Studien werden etwa erst dann veröffentlicht, wenn sie auch abgerechnet sind. Manche Ministerien haben bis jetzt nicht einmal ihre Webseite für diese Veröffentlichungen vorbereitet.

Das Gutachten des Wirtschaftsministeriums, mit der die fragwürdige Reihung einer Besetzungskommission öffentlich gerechtfertigt wurde. Das Wirtschaftsministerium verwies gegenüber Medienvertretern mehrfach auf diese Studie und begründete so seine  Entscheidung, die Bundeswettbewerbsbehörde mit einem Richter des Bundesverwaltungsgerichts zu besetzen. Doch über die Inhalte  der Studie will das Ministerium lieber schweigen. Eine Anfrage des Forum Informationsfreiheit in dieser Causa wurde nicht beantwortet, eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht aus.

Die ORF-Pressestelle, die konkrete Fragen hinsichtlich der Ukraine-Berichterstattung des ORF nicht beantwortet hat. Der recherchierende Journalist erhielt nur eine Rückmeldung, die er als „vorgefertigtes Statement“ bezeichnet, das seine Fragen „nicht einmal tangierte“.

21 Jahre Right to Know Day

Seit 21 Jahren macht die Zivilgesellschaft am 28. September, dem „Right to Know“-Day international auf die inakzeptable Praxis der Geheimhaltung von Informationen öffentlichen Interesses vor Bürgerinnen und Bürgern aufmerksam. Der Tag wird mittlerweile auch von den UNESCO als „International Day for Universal Access to Information“ zelebriert.

Das Forum Informationsfreiheit setzt sich für ein BürgerInnen-Recht auf Zugang zu staatlicher Information sowie für Transparenz in Politik und Verwaltung ein und vergibt jährlich die „Mauer des Schweigens“. Viele der nominierten Fälle stammen aus dem Anfrageportal des Forum Informationsfreiheit, FragDenStaat.at.

 

Zehn Jahre Transparenzgesetz.at – die Rede

Die Rede von Vorstandsmitglied Markus Hametner in Vertretung von Obmann Mathias Huter zum Anlass der Feier „10 Jahre für ein Informationsfreiheitsgesetz“ am 13.9.2023.

 

Im Rückblick: Was haben wir jetzt zehn Jahre lang gemacht?

Anfangs haben wir eine Entscheidung getroffen, über die wir uns heute froh zeigen können: wir haben nicht auf die Versprechen der Regierung gesetzt. Wir haben ihr nicht geglaubt, als es hieß, dass in zwei Wochen das Amtsgeheimnis fallen soll. Oder noch vor dem Sommer, oder noch dieses Jahr – also 2013.

Wir haben sie nur an ihre Versprechen erinnert und geschafft, den medialen Druck aufrecht zu halten. Das Ergebnis? Nach zehn Jahren fragt niemand mehr uns, warum wir denn Transparenz wollen – sondern die jeweilige Regierung wird gefragt, wann sie endlich kommt.

Forum Informationsfreiheit–Vorstandsmitglied Markus Hametner bei der Rede zu Zehn Jahre Transparenzgesetz.at

 

Mit dem Aufbau der Bürgerplattform FragDenStaat.at haben wir gleichzeitig Infrastruktur geschaffen – für andere Bürgerinitiativen, für Journalist:innen, aber auch für uns. Wir haben über sie relevante Fragen gestellt – und uns nicht nur gefreut, wenn wir Antworten bekommen haben, sondern sind auch gegen die Republik vor Gericht gezogen, wenn die Verwaltung mit fragwürdigen Argumenten Auskünfte verweigert hat. Wir konnten so die in Österreich den alltäglichen Gesetzesbruch durch Behörden bei der Bearbeitung von Anfragen dokumentieren. Eine Informationspolitik nach Gutsherrenart, wo zuerst das Melderegister abgefragt wird, bevor entschieden wird, ob eine Frage beantwortet wird.

Wir kennen deswegen den absurden, zeitraubenden und bürgerfeindlichen Beschwerdeprozess fast in-und auswendig. Und wir haben – hier ein Shout-Out an alle Menschen, die uns juristisch unterstützen – vor den Höchstgerichten  Informationen erstritten, bei denen vor zehn Jahren noch viele meinten, das gehe wegen dem Amtsgeheimnis sicher gar nicht. Eurofighter-Gegengeschäfte, Eurofighter-Kaufverträge, Beschlüsse der Landesregierungen, bis zu Empfänger von freihändig vergebenen Covid-Förderungen. Alles kein Amtsgeheimnis, gerichtlich bestätigt, dank dem Einsatz des Forum Informationsfreiheit. Das Learning: das Amtsgeheimnis ist nicht das Gesetz – sondern die Praxis rechtswidriger und konsequenzfreier Handlungen der Behörden.

Der Amtsgeheimnis-Award „Mauer des Schweigens“, den wir auch seit einigen Jahren jährlich vergeben, wird breit wahrgenommen – wobei ich mich bei manchen Anfragen, bei besonders abenteuerlichen Begründungen, schon frage, ob sich die Behörde durch den Award inspirieren hat lassen.

Bei unseren kleineren Forderungen und Projekten sind wir auch weiter gekommen: die Gesetze zur Parteienfinanzierung wurden reformiert und etwas verschärft, auch unsere Forderung nach steuerlicher Absetzbarkeit von Engagement für die Demokratie scheint näher zu rücken. Und auch unser Projekt OffeneVergaben.at ermöglicht immer wieder journalistische Berichterstattung zu Auftragsvergaben der öffentlichen Hand.

 

  Eindrücke von der Feier  

 

Die bisherigen Regierungen haben sich in der gleichen Zeit hauptsächlich dadurch ausgezeichnet, Deja-Vu-Erlebnisse auszulösen.

Die regelmäßigen Versprechen, bis wann auf Bundesebene das Amtsgeheimnis abgeschafft werden, lassen wir mal außen vor.

Im ersten Jahr schon wurde bis zum Sommer ein Verfassungsentwurf angekündigt, vor einer Parlamentssitzung hieß es auch, dass er eingebracht werden wird. Wurde er nicht. Und wurde danach auch noch geheim gehalten – erst nach einem offenen Brief mit starker Kritik haben ÖVP und SPÖ ihre unterschiedlichen Entwürfe geteilt.

Was passiert diesen Sommer? Man liest, es gibt einen Entwurf, Stand Juni 2023. Dieser wurde uns weder von den Grünen, noch von der ÖVP übermittelt – Deja Vu.

In sechs von neun Ländern wurde zumindest einmal ein Transparenzgesetz im Regierungsprogramm versprochen – oft nur, wenn auf Bundesebene keins kommt. Umgesetzt? Bisher keines – Deja Vu.

Angeklopft für unsere Expertise – immerhin haben wir auch an den Landesverwaltungsgerichten Verfahren geführt – hat in letzter Zeit keine Landesregierung. Aber die Steiermark schafft sicher im kommenden Jahr noch ein tolles Transparenzgesetz. Wie versprochen.

Und die Prozesse zu den Gesetzesentwürfen? Dazu habe ich ein Zitat. Wer hat es gesagt? ​

„Ein Transparenzgesetz durch einen intransparenten Gesetzgebungsprozess abzuwickeln, das wird nicht gehen“

Es waren nicht wir … es war ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf am 12. Juni 2013 im Parlament. Mit dieser Begründung wurde der erste Versuch der Abschaffung abgesägt.

Transparenter ist der Gesetzgebungsprozess auch unter der Verantwortung der ÖVP nicht geworden. Wie sich das auf die Qualität für die Bürger auswirkt, sieht man nicht nur an den heutigen Vorschlägen (über 2.000 Gemeinden von der proaktiven Veröffentlichungspflicht auszunehmen, Anm.), sondern auch an der Verfassungsänderung, die Transparenz in staatliche Studien bringen sollte, und für die auch kein Input aus der Zivilgesellschaft eingeholt wurde. Die involvierten Parteien haben eine Veröffentlichungspflicht im Internet versprochen, geblieben ist: die Behörden können machen was sie wollen, kontrolliert wird es sowieso nicht, und statt Veröffentlichung reicht auch die mögliche Einsicht im Gemeindeamt.

„Ein Transparenzgesetz durch einen intransparenten Gesetzgebungsprozess abzuwickeln, das wird nicht gehen“

ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf, 2013

Was ließen sie sich dafür bejubeln. Weil oft das erzählte reicht. Für uns zählt aber das Erreichte. 

Die Regierung hat jetzt also vor, kleinere – also quasi alle – Gemeinden zu „entlasten“, indem sie keine Informationen proaktiv veröffentlichen müssen. Das ist ein Trugschluss, denn die proaktive Veröffentlichungspflicht ist ein Weg dahin, dass Arbeit eingespart wird – für die Beantwortung einzelner Anfragen, für die Kommunikation zwischen Behörden und im Amt selbst. Deswegen ist die proaktive Veröffentlichung in einem zentralen Register eine unserer Kernforderungen – und integraler Bestandteil des Hamburger Modells, dass von allen Parteien versprochen wurde.

Was bleibt dann in den Gemeinden von der Amtsgeheimnis-Abschaffung übrig? Genau die gleichen Regeln und mühsamen Beschwerdeprozesse wie jetzt – Transparenz nur für die, die Zeit haben, und sich es mit ihren Bürgermeistern verscherzen können.

Und jede dieser Regeln wäre in Zukunft nur mehr änderbar, wenn alle Landeshauptleute zustimmen. Das steht so im letzten Entwurf. Den aktuellen kennen wir ja nicht – aber nachdem die Regierungsparteien wohl nur Vorschläge für Verschlimmbesserungen akzeptieren, wird das wohl bleiben.

Deswegen bleibt mir nur zu warnen:

Nicht jeder neue Entwurf ist ein Fortschritt. Nicht in jedem Paket, das „Amtsgeheimnis-Abschaffung“ genannt wird, ist sie auch drin.

Darauf werden wir auch in Zukunft öffentlich hinweisen und wir schätzen uns sehr glücklich, auch Mitstreiter gefunden haben, die die Relevanz der Informationsfreiheit erkennen. Der Runde Tisch der NGOs, zu dem wir die Minister Edtstadler und Kogler letztes Jahr eingeladen haben, war nur durch deren Engagement möglich und auch Initiativen wie der Demokratieindex helfen uns, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu kommunizieren.

Als nächstes wird man von uns wohl hören, wenn es eine neue Mauer des Schweigens zu vergeben gibt – also in etwa zwei Wochen. Vorschläge nehmen wir gerne hier an.

All das passierte in den letzten 10 Jahren und ein bisschen mehr. Wenn ich aber so in die Runde schaue und jene die da sind, und auch an die Vielen denke, die heute nicht da sein können, dann freut es uns zu sehen, dass wir doch zu einer guten Zahl an Mensch den Funken überspringen lassen konnten. Und das Feuer für die Sache auch in Ihnen ein wenig entfachen konnten. Denn wenn wir uns ansehen, was früher von NGOs und Journalist:innen an Anfragen gestellt wurden, und was heute von ihnen bis vor den Verfassungsgerichtshof durchgefochten wird und wozu das führt, dann werden die letzten 10 Jahre auf die nächsten 10 Jahre hinaus wirken – und auch noch ein bissl mehr. In diesem Sinne: Danke fürs kommen – und lasst uns anstoßen auf echte Transparenz und Informationsfreiheit in Österreich. Und uns alle weiter dafür für engagieren.

Herzlichen Dank – und eine schöne Feier!

Neues Eigentümerregistergesetz bringt Hürden für Medien und Zivilgesellschaft

NGOs fordern möglichst breiten Zugang

6 Juli 2023 – Im Parlament wird heute eine Änderung des Wirtschaftliche Eigentümer Registergesetzes beschlossen. Sie sieht unter anderem vor, dass nur mehr Journalist*innen, Wissenschaftler*innen oder NGOs auf das Register zugreifen können, die ein „berechtigtes Interesse“ nachweisen können.

Attac, das Forum Informationsfreiheit und das VIDC kritisieren die neu geschaffenen Zugangshürden für Medien und die Zivilgesellschaft. Zudem wurden bekannte Schlupflöcher des Eigentümerregisters nicht beseitigt. Die Organisationen fordern einen möglichst breiten Zugang zu einem kostenlosen, leicht zu durchsuchenden Register.

Durch dieses Register soll, zumindest in der Theorie, nachvollziehbar werden, wer hinter Unternehmen in Österreich steht und diese kontrolliert. Zahlreiche Leaks und Steuerskandale zeigen, dass ein breiter öffentlicher Zugang zu Daten über wirtschaftliches Eigentum von entscheidender Bedeutung ist, um Korruption, Geldwäsche und Steuerbetrug zu erschweren und aufzudecken.

“Das neue Gesetz hingegen schränkt den öffentlichen Zugang unnötig stark ein. Es gibt der Registerbehörde einen viel zu großen Ermessensspielraum bei der Bestimmung, was ein berechtigtes Interesse darstellt und wer Zugang bekommt“, kritisiert Kai Lingnau von Attac Österreich. (1) Selbst für Berechtigte bleibt das Register nur eingeschränkt brauchbar. (2)

„Recherchen durch Zivilgesellschaft und investigative Journalist*innen zu Korruption, Misswirtschaft und anderen Missständen werden unnötig erschwert und damit öffentliche Kontrolle geschwächt. Weiters steht zu befürchten, dass nun erhebliche Personal-Ressourcen dafür verwendet werden müssen, um “berechtigtes Interesse” und den Zugang zu Informationen zu administrieren und vor Gericht zu klären. Diese Ressourcen könnten besser dafür verwendet werden, die übermittelten Informationen zu den wirtschaftlichen Eigentümern zu prüfen“, sagt Mathias Huter vom Forum Informationsfreiheit.

Zwei zypriotische Briefkastenfirmen reichen, um die Registrierungspflicht zu umgehen

Die Organisationen kritisieren zudem, dass die bekannten Schlupflöcher des Registers nicht behoben werden. Eine Meldepflicht besteht weiterhin erst ab einem mehr als 25-prozentigen Anteil an Eigentum. Ist eine Unternehmensebene zwischengeschaltet, sind sogar mehr als 50 Prozent für eine verpflichtende Meldung im Register notwendig. „Zwei zypriotische Briefkastenfirmen reichen also schon, um die Registrierungspflicht zu umgehen“, kritisiert Martina Neuwirth vom VIDC. Die Organisationen fordern eine deutliche Senkung des Schwellenwerts. Ideal wäre eine Meldepflicht bereits ab einer Aktie, um Verschleierungskonstruktionen einen Riegel vorzuschieben.

Nächste Überarbeitung steht schon bevor

Die EU-Kommission hat mittlerweile einen Vorschlag für eine neue, sechste Geldwäsche-Richtlinie vorgelegt, der in den nächsten Monaten zwischen der EU-Kommission, dem EU-Parlament und dem Rat der EU verhandelt werden soll. Attac, das VIDC und das Forum Informationsfreiheit fordern die Regierung auf, sich im Rahmen dieser Überarbeitung für die Behebung der aktuellen Schwächen der Register und für eine einheitliche Umsetzung in allen EU-Staaten einzusetzen.

(1) Als Nachweis des „berechtigten Interesses“ sind laut Gesetz ein journalistischer oder wissenschaftlicher Beitrag oder ein entsprechendes Vereinsstatut zum Thema Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung bzw. „erfolgreiche diesbezügliche Aktivitäten“ nötig. Da unklar ist, was das genau bedeutet, besteht die Möglichkeit einer sehr restriktiven Auslegung. Wer mit Recherchen beginnt, kann zudem noch keine „Beiträge“ oder „erfolgreiche Aktivitäten“ vorweisen. Außerdem ist kein expliziter Zugang für Akteur*innen vorgesehen, die zu Transparenz und Rechenschaftspflicht oder zu Geldwäsche-Vortaten arbeiten, darunter etwa Steuerbetrug, Korruption und Kriminalität.

(2) Für Berechtigte ist eine Suche nur nach Firmenwortlaut möglich, nicht aber nach wirtschaftlichen Eigentümer*innen. Bei Geldwäsche und Steuerbetrug laufen aber die entscheidenden Fäden bei Personen zusammen und nicht bei den Rechtsträgern. Daher ist es entscheidend Abfragen auch nach Personen stellen zu können. Die Daten stehen zudem weder in einem durchsuchbaren open data Format zur Verfügung noch ist die Nutzung kostenlos.

Feststellungen von Verwaltungsgericht „rechtlich nicht bindend“ – weitere Schikane durch Stadt Wien

Die Causa, über die wir schon letztes Jahr unter „Wie die Stadt Wien eine Auskunftserteilung zur Farce werden lässt“ berichtet haben – Kurzfassung: 1.200 Einsparungsvorschläge, 100 Millionen Euro Einsparungspotenzial, zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes darüber, dass Informationen zu erteilen wären – ist nach einer weiteren Gerichtsentscheidung des Verwaltungsgerichts Wien in unserem Sinne nun schon wieder um eine Farce reicher.

In der mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung VGW-101/032/14669/2022 hat das Verwaltungsgericht Wien unsere Rechtsansicht bestätigt, dass durch die beiden unter Fotografierverbot gewährten Termine die gewünschte Auskunft (zu deren rechtswidrigen Verweigerung es ja schon zwei Sprüche des VwGH gibt) nicht erteilt wurde. Das Gericht hält zusätzlich fest:

3.2.    Auf Sachverhaltsebene steht im Beschwerdefall fest, dass die vom Auskunftsbegehren erfassten Dokumente, deren “Wortlaut” zu beauskunften ist, einen Umfang von mindestens 2.000 A4-Seiten haben. Die von der belangten Behörde gewählte Form der Auskunftserteilung in Form von Einräumung von Einsichtsterminen, bei welchen weder Kopien noch Fotos der Dokumenteninhalte angefertigt werden können, erweist sich angesichts des Umfangs der zu erteilenden Auskunft grundsätzlich als ungeeignet, um eine zeitnahe und zweckmäßige Auskunftserteilung zu gewährleisten. […]
und
3.5.    Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass im Beschwerdefall keine gesetzlichen Hindernisse iSd § 1 Abs. 1 und 5 Wr. APG, die gegen eine Auskunftserteilung sprechen, von der belangten Behörde ins Treffen geführt wurden oder amtswegig zu erkennen sind (vgl. dazu bereits VwGH Ra 2020/03/0120, Rz. 55 ff). Insbesondere kann durch die Auskunftserteilung die Besorgung der übrigen Aufgaben der belangten Behörde nicht wesentlich beeinträchtigt werden, da die naheliegendste und zweckmäßigste Form der Auskunftserteilung – die elektronische oder postalische Übermittlung der ohnehin bei der belangten Behörde aufliegenden Dokumente an den Beschwerdeführer – mit keinem ersichtlichen nennenswerten Aufwand verbunden ist.

Mehr konnte das Gericht nicht entscheiden – es sieht sich mit Verweis auf VwGH 5.10.2021, Ra 2020/03/0120 insbesondere außerstande zu bestimmen, wie genau die Auskunft zu erteilen wäre. Der Richter verweist aber darauf, dass die Behörde „unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen“ hat. Außerdem stellt er der Behörde die Amtsmissbrauch-Rute ins Fenster, wie die Presse schon berichtet hat.

Wie versucht die Stadt Wien nun diesen Zustand herzustellen? Indem sie die oben zitierten Stellen nicht einmal ignoriert.

Mit Brief vom 9. Mai 2023 wurden mir 10 Termine á vier Stunden für eine weitere Einsicht vorgeschlagen. Zusatz: „Um Missverständnissen vorzubeugen, möchten wir vorab darauf hinweisen, dass das Anfertigen von Fotos oder Kopien auch bei diesen Einsichtsterminen nicht möglich sein wird und der jeweilige Einsichtstermin gegebenenfalls abgebrochen werden muss“. Naja, zumindest ist das Fotografierverbot dieses Mal angekündigt. „Zeitnah“ und „zweckmäßig“ sind in der Causa offenbar einfach kein passender Maßstab.

Auf Nachfrage, wie das mit den oben zitierten Stellen der Entscheidung zusammenpasst, kam folgende Erklärung:

„[Die] Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zur Form der Auskunftserteilung sind – insbesondere im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Wahl der Art der Auskunftserteilung ausschließlich bei der verpflichteten Behörde liegt – aus Sicht der Magistratsabteilung 5 für das weitere Verfahren rechtlich nicht bindend“.

Offenbar hat die Stadt Wien beschlossen, in dieser Causa zum Thema Verwaltungseinsparungen auf maximale Verschwendung von Verwaltungsressourcen zu setzen. Sie will meine Zeit verplempern – damit aber auch die Arbeitszeit der Behördenmitarbeiter. Denn wenn ich Zeit investiere, um die Informationen abzuschreiben muss die Behörde auch (sinnlos) Zeit damit verbringen, mich am Fotografieren zu hindern. (Dieses Fotografierverbot ist in keinem Gesetz vorgesehen, eine rechtliche Begründung abseits von „because we can“ konnte die Behörde in der letzten Runde auch vor Gericht nicht vorbringen.)

Mit dieser Einschränkung wird im Ergebnis versucht, der Recherche zu diesen Einsparungsvorschlägen ein Preisschild zu geben: 40 Arbeitsstunden, eine Arbeitswoche, in Geld umgerechnet: ein Viertel eines Monatsgehalts. Eine faktische Auskunftsverweigerung, die ich wohl nun in vierter Runde vor das Verwaltungsgericht bringen muss.

So funktioniert der Rechtsschutz, wenn die „transparenteste Gemeinde Österreichs“ nicht will.

Gegenüber der Presse (vom 19.6.2023) verweist die Stadt Wien auf Datenschutz und Geschäftsgeheimnisse – nur konnte sie diese in mittlerweile drei Verfahren, in denen immer wieder rechtskräftig festgestellt wurde, dass die Auskunft zu unrecht verweigert wurde, nicht nachweisen.

Forum Informationsfreiheit begrüßt Zeitplan in Richtung Informationsfreiheitsgesetz, warnt vor Rückschritten

Wir begrüßen, dass endlich ein Zeitplan für die nächsten Schritte für ein Informationsfreiheitsgesetz steht. Einen solchen hatten wir schon nach Ende der Begutachtungsfrist sowie nach unserem Runden Tisch im Dezember gefordert. Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler, ÖVP, hat gegenüber dem „Profil“ einen überarbeiteten Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz bis zum Sommer angekündigt.

Wenn Veränderungen am Entwurf geplant sind, sollte auch sichergestellt werden, dass ein Gesetz auch in Zukunft reformierbar bleibt – und von der „Ewigkeitsklausel“ Abstand genommen werden, die Ländern ermöglicht, zukünftige Transparenz-Reformen zu verhindern.

Edtstadlers pauschale Ablehnung einer unabhängigen Transparenz-Kontrollstelle, die auch Bürger:innen im Verfahren unterstützt, verwundert: Die Bedenken kleiner Gemeinden und Behörden, ohne juristischem Personal mit ihren Transparenz-Entscheidungen allein gelassen zu werden, würde eine solche Stelle ebenso entschärfen wie die Überlastung der Verwaltungsgerichte, die durch ihre Tätigkeit seltener als Beschwerdeinstanz tätig werden müssten.

Zukünftig sollte Transparenz nicht nur ein Schlagwort bleiben, sondern auch gelebt werden. Deshalb braucht es eine Möglichkeit für Bürger:Innen, rasch und unbürokratisch Unterstützung zu bekommen, um Ihr Recht auf Zugang zu Information in der Praxis auch nutzen und durchsetzen zu können. Zahlreiche Aufgaben der in anderen Ländern erfolgreich gelebten unabhängigen Stelle sind im Entwurf gar nicht vorgesehen. Solche Informationsfreiheitsbeauftragten gibt es in vielen europäischen Ländern, etwa bei unseren Nachbarn in Deutschland, der Schweiz, Slowenien, und Kroatien. 

Länder und Gemeinden haben massive, nur zum Teil nachvollziehbare Kritik am ersten Entwurf für ein Informatonsfreiheitsgesetz geübt. Dabei wurde gleichsam ein Zusammenbruch der Verwaltung durch die Einführung von international gelebten Transparenz-Standards in den Raum gestellt. Transparenz-Widerstände in Teilen der Verwaltung sollten jedoch nicht zu einer Einschränkung von Bürgerrechten führen – also dazu, das Bürger:Innen in Österreich weniger Informationsrechte als in den meisten anderen EU-Staaten und gegenüber EU-Institutionen haben. 

Wir warnen insbesondere davor, Rückschritte gegenüber dem ersten Entwurf vorzunehmen. Insbesondere die im ersten Entwurf vorgesehenen Fristen dürfen nicht verlängert werden. Die im Entwurf angedachten Fristen – vier Wochen plus eine Verlängerungsmöglichkeit um weitere vier Wochen – sind im internationalen Vergleich bereits außergewöhnlich lang. Auch Eilanträge für die Rechtsdurchsetzung sind – anders als in anderen Ländern – nicht vorgesehen.

Wir fordern außerdem eine adäquate Einbindung der Vertreter von Bürgerinnen-Interessen in den Anpassungsprozess.

Sollte die Verwaltung auf Landes- und Gemeindeebene weiter behaupten, zusätzliche Ressourcen für die Umsetzung von Transparenz-Bestimmungen zu benötigen, so sollten diese endlich beziffert werden – bis jetzt wurde keine nachvollziehbare Aufwandsschätzung genannt.