Vergangene Woche ist der Entwurf für ein Informationsfreiheitsgesetz in Begutachtung gegangen. Am Sonntag war unser Vorstand Mathias Huter dazu in der “Zeit im Bild 2” bei Martin Thür.
Wir haben die wichtigsten Punkte, die wir in der ZIB 2 betont haben, zusammengefasst. An einer ausführlichen juristischen Stellungnahme zum Gesetzesentwurf arbeiten wir noch.
1. Es braucht einen Kulturwandel in der Verwaltung
Wir haben in Österreich bis heute eine Informationspolitik nach Gutsherrenart.
Der Gesetzesentwurf würde eine Informationspflicht der Behörden bringen und erstmals in Österreich ein Bürgerrecht auf Dokumenteneinsicht verankern. Die gesetzliche Lage würde verbessert.
Wir fürchten jedoch, dass der Entwurf eines nicht sicherstellen kann: einen Kulturwandel in der Verwaltung, hin zu Offenheit und echter Transparenz.
So ist etwa nicht klar definiert, welche Dokumente die Behörden aktiv veröffentlichen müssen – und wenn sie Informationen nicht aktiv veröffentlichen, gibt es keine Möglichkeit, dieses Versäumnis zu sanktionieren. Aus dem Gesetz lässt sich nicht herauslesen, ob etwa die COVID-Hilfszahlungen an Unternehmen im Detail veröffentlicht würden.
2. So viel Transparenz wie möglich, so wenig Geheimhaltung wie nötig
Die Behörden stehen in Zukunft vor der Herausforderung, mögliche Geheimhaltungsgründe und das öffentliche Interesse an Transparenz bei einzelnen Anfragen abzuwiegen. Unsere langjährigen Erfahrungen lehren uns: besonders wenn es um politisch sensible Auskünfte geht, halten Behörden im Zweifelsfall Informationen zurück.
Da braucht es eine unabhängige Stelle, die Behörden und Bürgern zur Seite steht und sicherstellt, dass all das transparent wird, was nicht unbedingt geheim bleiben muss.
3. Ein neues Informationsregister
Österreich ist das letzte Land der EU, das bis dato kein Bürgerrecht auf Dokumenteneinsicht hat.
Geplant ist nun, dass Informationen “von allgemeinem Interesse” – neben Studien und Gutachten etwa auch alle Verträge der öffentlichen Hand über 100.000 Euro – online veröffentlicht werden müssen. Diese Schwelle im Entwurf ist für uns deutlich zu hoch angesetzt.
Dabei zeigen internationale Beispiele, dass mehr Transparenz auch zu mehr Wettbewerb führt: Seit die Slowakei jeden Vertrag der öffentlichen Hand über 1.000 Euro online veröffentlicht, bewerben sich viel mehr Firmen um öffentliche Aufträge. Schützenswerte Geschäftsinteressen können hier immer noch vereinzelt geschwärzt werden.
4. Datenschutzbehörde zur Beratung führt zu Ungleichgewicht
Ein mögliches Problem gibt es in diesem Gesetzesentwurf mit der Rolle der Datenschutzbehörde: Sie soll die Behörden mit Blick auf den Datenschutz unterstützen und beraten. Wir fürchten: das wird dazu führen, dass die Datenschutzbehörde im Zweifel zum Zurückhalten der Informationen rät und so Geheimhaltung stärkt. BürgerInnen haben aber keine Stelle, die sie berät, und die Transparenz vorantreibt. Das führt zu einem Ungleichgewicht.
Die Lösung ist ein/e unabhängige/r Informationsfreiheitsbeauftragte/r, wie international üblich. Diese Stelle würde Behörden und BürgerInnen beraten und kann zeitnahe abwägen, was veröffentlicht werden sollte und was nicht. Dazu würde die Stelle die Umsetzung des Gesetzes sicherstellen und einen Kulturwandel in der Verwaltung vorantreiben.
Positive Aspekte des geplanten IFG
Obwohl der Gesetzesentwurf einige Schwächen hat, die noch behoben werden sollten, gibt es auch positive Aspekte, die wir hier hervorheben wollen:
- ein verfassungsmäßiges BürgerInnenrecht auf Zugang zu staatlicher Information soll kommen, das Amtsgeheimnis wird nicht mehr im Verfassungsrang stehen;
- ein Recht auf Zugang zu staatlichen Dokumenten kommt (wie dies international üblich ist – Österreich ist das letzte Land in der EU, das bislang kein solches Recht kennt);
- Anfragen und deren Beantwortung werden gebührenfrei sein (statt wie bisher 15 bis 30 Euro);
- Auskunftspflichtig werden nicht nur Verwaltungsbehörden sein (wie bisher) sondern alle staatlichen Stellen, inklusive vom Rechnungshof geprüfte staatsnahe Unternehmen;
- ein online Informationsregister soll geschaffen werden;
- Gutachten, Studien und Verträge müssen dort automatisch von staatlichen Stellen veröffentlicht werden
Wo mehr geht
Bei einigen Punkten muss aber auch noch nachgeschärft werden, damit das IFG zu einem guten Werkzeug für JournalistInnen, BürgerInnen und alle, die eine Information suchen, wird. Besonders wichtig sind bürgerfreundliche Regelungen in den folgenden Punkten:
- Rasche Antwort: die vorgesehene Antwort-Frist beträgt 4 Wochen und kann auf bis zu 8 Wochen verlängert werden. Das ist nicht zeitgemäß. Zum Vergleich: EU-Institutionen müssen binnen 15 Arbeitstagen Auskunft erteilen, in Estland beträgt die Frist 5 Arbeitstage.
- Umfassender Informationsbegriff: Die Definition der Information, die nach dem Gesetz angefragt werden kann, muss – wie international üblich – möglichst breit gefasst sein.
- Geheimhaltungsgründe: Im Hinblick auf Geheimhaltungsgründe gibt es klare internationale Standards, an denen sich Österreich orientieren soll. Essentiell ist ein klar definierter Abwägungsprozess: Es muss klar sein, wie ermittelt wird, was im öffentlichen Interesse liegt und wo Einzelinteressen überwiegen – und dass nur diese Teile zurückgehalten werden.
- Durchsetzung der Transparenzregeln: Laut Punktuation sollen alleine die Verwaltungsgerichte die Durchsetzung der Informationsfreiheit sicherstellen. Dies ist keine zufriedenstellende Lösung:
- Verfahren dauern in der Regel mehrere Jahre.
- Ein langjähriges Verwaltungsverfahren wird viele BürgerInnen abschrecken.
- Behörden können Verwaltungsgerichten ohne Sanktionen Dokumente und Informationen vorenthalten.
- Verwaltungsgerichte entscheiden nicht über eine Herausgabe der Information und können sie gegenüber Behörden nicht durchsetzen.
- Informationsfreiheitsbeauftragte/r: Der Gesetzesentwurf sieht keine/n unabhängige/n Informationsfreiheitsbeauftrage/n vor. Eine solche Stelle ist internationalerStandard und spielt eine essentielle Rolle dabei, eine Transparenz-Kultur voranzutreiben. In vielen Ländern unterstützt diese Stelle einerseits die Verwaltung bei der Auslegung und Anwendung der Transparenz-Bestimmungen und unterstützt BürgerInnen andererseits beim Informationszugang, und kann im Streitfall angerufen werden, um eine rasche und unbürokratische Entscheidung herbeizuführen.
- Rolle der Datenschutzbehörde: Der Gesetzesentwurf sieht dafür vor, dass die Datenschutzbehörde (DSB) Behörden beim Informationsfreiheitsgesetz in Sachen Datenschutz beraten soll. Es steht zu befürchten, dass die DSB gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag stets zu mehr Geheimhaltung raten wird und so ein Ungleichgewicht zum Nachteil der Anfragenden und des öffentlichen Interesses an Transparenz entstehen wird.
- Automatische Veröffentlichung: Klar und umfassend beschrieben werden sollte im Gesetz, welche Dokumente, Entscheidungen, Statistiken, Daten und Informationen alle staatlichen Stellen automatisch im Informationsregister veröffentlichen müssen.
- Veröffentlichung von Verträgen: Laut Entwurf sollen nur Verträge der öffentlichen Hand mit einem Wert von über 100.000 Euro veröffentlicht werden. Diese Grenze ist viel zu hoch: in Österreich müssen bereits jetzt Daten zu Aufträgen ab 50.000 Euro veröffentlicht werden (wir bereiten sie auf OffeneVergaben.at auf).
- Durchsetzung der Veröffentlichungs-Pflichten: Es braucht effektive Durchsetzungsmechanismen, um sicherzustellen, dass sich staatliche Stellen an die Veröffentlichungspflichten halten.
Begutachtungsphase
Sie sehen, es ist noch einiges zu tun. Wir arbeiten nun an einer detaillierten Stellungnahme und sind mit zahlreichen anderen Organisationen in Kontakt, die sich ebenfalls einbringen werden.
Die Begutachtung läuft bis 19. April. Danach müssen die Anregungen eingearbeitet werden. Für einen Beschluss braucht es eine 2/3-Mehrheit in Nationalrat und Bundesrat, sowie die Zustimmung der Bundesländer. Wir hoffen, dass es in diesen politischen Verhandlungen zu weiteren Nachbesserungen kommt.
Der Weg seit 2013
Wer wissen will, wie weit wir schon gekommen sind, kann sich unseren ersten Auftritt in der “Zeit im Bild” aus 2013 anschauen. Damals haben wir ein transparenteres Österreich gefordert.
Wir sind jetzt – 8 Jahre später – dem Ziel ein kleines Stück näher.
Aber wir kennen die österreichische Politik nur zu gut: feiern können wir erst, wenn wir ein Informationsfreiheitsgesetz haben, dass diesen Namen auch wirklich verdient.